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Glatz, Karl Jordan [Hrsg.]
Chronik des Bickenklosters zu Villingen: 1238 bis 1614 — Stuttgart, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.6273#0059
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sich hinus geleget under dises fenster und hat sehr weit um sich
gesehen. Er hat auch erkant all unsere sünd und müssethat, all
unser unvolkomenheit und Undankbarkeit, die schwere und große
unehr, die seinem himelischen vatter durch die Sünder wurden an-
gethon, auch die grundlosse düefe des menschlichen fals, und wie das
joch und schwere buorde der menschlichen erlössung allein uf seinem
rügen gelögt Wardt, das er alle pein und bueß solte und wolte leiden
zuer gnuegthunung für aller menschen sündt. Also war er durchlütten
und durchschnütten in ansehnug unserer Sünden, aber [22b] mir1 dörfen
nit lang ansehen frembte schuld und sündt, sonder mir sollent hünder
sich gehn in unser eigne gebrechlichkeit und anschawen unser ver-
gangens sündliches leben, wie mir mit unser bosheit das güetig, milt,
barmherzig, tugentlich herz unsers breütigams in so große töttliche
forcht, angst und noth gebracht haben und das obriste guet so schwär-
lich entvuert haben mit unsern vilfeltigen Sünden. Darumb, aller-
liebste gaistliche kinder, sollen mir billich und aber billich von grundt
unsers herzens ufnemen und laiden, zue dankbarkait dem angst-
lichen herzen Christe und zur bueß und gnuegthunung für unsere Sünden,
alle betrüebtnus, forcht, armuet, költe, hunger, durst, verschinehung,
angst und noth und was uns imer in diser zeit begegnen mag. Und
also haben mir lang zeit zue sehen durch disses fensterlin unserer
eignen armuetselikeit. [D]as ander fensterlin in disser zeel ist, das
der betrüebte herr Jesus sähe, wüsst und erkente alles das große
herzlaid, ersterben, mitleiden, pein und marter seiner lieben jünger
und aller seiner ußerwölten freündt, die von anfang der wölt biß
zum ent der weit ie durch seinet willen in seel und leib, in herzen
und gemüet gepeiniget, gestorben und durchlütten sein worden-
Disses ansehen und durch disses fensterle gieng in sein seel ein uu-
ermessliche, große kolten. Hergegen von der unußlöschlichen liebe,
die er hatt zue der ehr seines himlischen vatters und zue allen seine»
ußerwölten kündern, an denen sein bütters leiden und sterben soltc
frucht und nuz bringen, die bracht im überdröffenliche große hüz,
und die zwaj', költen und hüz, drüben von im den bluotigen schwayß.
das er allenthalben abdropfnete von der zarten menscheit Jesu. Und
zue disem fensterlin sollen mir vil und oft hinuß sehen. Dardurcli
werden mir lehren, wie mir unser leben ortnen und austollen, dass mir

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