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Glatz, Karl Jordan [Hrsg.]
Chronik des Bickenklosters zu Villingen: 1238 bis 1614 — Stuttgart, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.6273#0071
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dem conuent, und war doch der gaist der sanftmuet und demuet alle
zeit gespürt. Als sie nun in dem fünften jar ihrer regüerung dises
neiw reformierten closters in großer strenigkeit, in iebung der tugent
und volkomenheit des lebens geregirt liett sueclit, den zeitlichen
baue des closters mit großer arbait, mühe und sorg so sehr gebracht
[28a] hett zue einem wolbeschlossnen, ortenlichen closter, so vil die enge
und armuet erdragen möcht, war sie von gott dem allmechtigen haim-
, gesuecht als sein liebste, ußerwölte gespons mit großer, schwerer
krankheit ihres leibs, und gleich wie sie zuevor im Weingarten des
herren mit getrauer lehr und fleißiger haltung der hailigen regel aller
tugenten und gaistlicher ortnung den bauvv mer dan zwainzig jar zue
Valdunen und alhie gepflanzt und geregiert hett, also müeße sie hie-
für mit gedultigem leiden durch schwere krankheit ihr andechtige
seel reinigen zue dem gnadreichen bau des neüen Jerusalems. Als sie
nun gemerkt, dass die leibs schwacheit zue nam, und sie ir gebett und
gaistliche iebung neben der zeitlichen sorg des closters nit wol mer
erdragen möchte, beklagte sie sich herzlich under der burdte der
zeitlichen regüerung und sprach zue ihren lieben kindern, wölche sich
herzlich bekimerten mit Stetten wainen und gebett um ir schwache und
liebe muetter: „Allerliebste kinder, bedriebent euch nit um mich, dan
ich bin beraüt und willig zue leiden, was mir gott zueschickt. Allein
beschwert mich die zeitliche regierung, dan ich vermähl und gedenk
nit gesund zue werden, weil dise bürde uf meiner firsorg ligt. Da dis
erherten die frumen frauen, zue handt kam ein andechtige gaistliche
alte muetter herfür, die war genant Margreth von Rapenstein, ge-
borne Möttelin. Deren kam zue gemüet die wort des hailigen apostels
Pauli, da er spricht zue den Gallatern am 6 capitel: „Alter alterius
onera portate", ein iedliches drag des andern bürde, so werdent ir er-
füllen das gesaz Cristi. Disse andechtige Schwester und muetter thet
als ein getreüs kind gegen seiner gaistlichen muetter und underwant
sich der bürde der regüerung und sprach zue ihrer kranken muetter:
„Höre, mein liebe muetter, leg dein bürde uf mich, entlade dich aller
sorgen und las dir recht wol mit gott seinl" Also nam sie die Verwal-
tung uf sie mit verwilligung aller gegenwertigen. Sie war auch gar
ein fleißige, empsige haushalten n und versach alles nach dem bösten.
Sie war allen lieb und angenem, und waren ihr alle underthenig, wie
wol sie nit bestettiget wurd zue einer aptissin, dan solches blib der
frumen, kranken muetter. Sie war nit abgesüzt, sondern nur entladen,
 
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