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sich in Ehrfurcht dieser Unterwerfung ganz bewußt sein, sich selbst
aufgeben, mit der Gottnatur verschmelzen und bis zur gänzlichen
Vereinigung mit ihr, dem Nirwana vordringen.
2. Natur und Mensch sind einem Schöpfer unterworfen, sind ver-
gängliche Gebilde seiner Hand, Ton für den Töpfer. Die gegen-
wärtige Welt wird vergehen, und der Mensch muß nach der neuen
ewigen streben, die der Schöpfer nach Untergang der irdischen
bereit hält. Vollendet steht die erdachte ewige Welt der wirklich
geschauten, zeitlichen, unvollendeten gegenüber.
3. Der Mensch stellt einen Endzweck der Natur dar und steht in
ihr, mag er nun den Ursprung der Naturkräfte einem inneren oder
äußeren Antrieb zuerteilen. Für ihn liegt das Wichtigste des Lebens
darin, lebendig zu sein. Er will nicht aufgehen in der Natur, noch
sie verachten in trotziger Zuversicht auf eine neue bessere Welt,
die ein Schöpfer bereitet hat. Er will selbst eine neue bessere
Welt gründen in sich und um sich her.
Je nachdem die eine oder andere dieser Ansichten vorherrscht,
bekommt die Betrachtung von Schönheit und Schönheitswert ver-
schiedene Färbung.
Es ist immer versucht worden, eine vollgültige Synthese, ein fer-
tiges System darüber herzustellen, und namentlich haben in Deutsch-
land ernste, fleißige Gelehrte viel Kraft und Geduld darauf ver-
wendet. Daß im ganzen und großen diese Welt von Theorien
eine so unerquickliche, dürre, oft unbegreifliche Mondlandschaft
geworden ist, scheint mir auf einem Anfangsfehler zu beruhen.
Man wollte nämlich immer Schönheit, Kunst, Ethik, Sprache
und Leben voneinander trennen, um jedes für sich allein zu be-
trachten.
Aber wenn man diese Erscheinungen trennt, so tötet man sie. Die
Schönheit ganz abgelöst von den Daseinsformen als reinste Ab-
straktion erinnert mich an jenes berühmte Roß der Heldensage, das
alle rühmenswerten Eigenschaften besaß, aber leider tot war.
Nur ganz allmählich dämmert das Verständnis auf, daß die Schön-
heit unzertrennlich vom Leben ist — wandelbar und doch ewig
gleich, wie das Leben selbst, nicht ein Attribut ferner Götter,
sondern das merkwürdigste Attribut des Menschen selbst. Sie ist
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