Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
X

Das attische Fieber nannte Vergil, rückblickend auf die Zeiten
des Lucullus und Cäsar, jene Sucht der Redner, Schriftsteller
und Weltleute mit griechischen Ideen, griechischen Ausdrücken und
griechischem Stilgefühl zu prunken. Aber dies attische Fieber war
eine Kulturnotwendigkeit, die auf trat, um den ästhetischen Grund-
gedanken hellenischer Art zu retten.
Die kulturhistorische Aufgabe Roms, griechische Wissenschaft und
Kunst dem Abendland zu vermitteln, erfüllten Cicero für die Philo-
sophie und ein Menschenalter nach ihm Horaz für die Poetik im
Sinn des Aristoteles.
In dem Bruchstück eines Dialogs über die Philosophie, dem Cicero den
Namen seines Gegners Hortensius gab, finden wir uns wahrscheinlich zu
Gast in einer Villa des Lucullus. Das Gespräch gleitet von den bilden-
den Künsten zur Rhetorik über, um in den alten Streit einzugreifen,
der schon zwischen Platon und Aristoteles entbrannt war, ob die
Rednerkunst oder die Philosophie höheren ästhetischen Wert besitze.
Cicero selbst — der berühmte Redner — tritt für die Philosophie
ein und nennt als wahren Grund, der die Leute immer wieder der
Weisheit und somit der Philosophie in die Arme treibe, die ange-
borene Sehnsucht nach Schönheit, d. h. nach Glück.
Glück und Schönheit suchen die Menschen auf den verschiedensten
Wegen zu erreichen. Politische Ehren und Kriegsruhm, Geld und
sinnliche Genüsse verlocken, indem sie den Toren Wahnbilder innerer
Befriedigung vorgaukeln, die nur Enttäuschung hinterlassen. Mit
mächtigen Worten muß Cicero die große Leere des äußerlich schönen
Lebens geschildert haben, denn wir kennen die Wirkung, die das
Gespräch drei Jahrhunderte später bei der Bekehrung des heiligen
Augustinus ausübte.
Ein wahrhaft schönes, das ist innerlich schönes Leben, verdankt der
suchende Geist nur der Philosophie.
Virtus — also wahre Tüchtigkeit, Tugend nicht im moralischen,
sondern im allgemein menschlichen Sinn zeitigt Schönheitswerte.
Jede Tugend ist in der Weisheit, der Tugend des Erkennens ent-
halten, oder geht aus ihr hervor, wie der Trieb aus dem Ast.

41
 
Annotationen