Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
schöne Weisheit, die aus Himmelshöhen stammt, muß sich auf Erden
gewöhnlichen Diensten unterziehen.
In Helena ist die Idee einer Gefahr der Schönheit für den Christen-
menschen verkörpert. Darum ist sie zuerst durch Aberglauben dem
bösen Zauberer Simon gesellt, dann in den Volksbüchern dem
Zauberer Faust, wahrscheinlich einer phantastischen Umschreibung
des Fust, der bei der Hexerei des ersten Buchdrucks beteiligt war.
Sinnig genug läßt sich diese Legende deuten, denn durch solche
Hexerei lebte die antike Schönheit für das allgemeine Bewußtsein
wieder auf.
Das wäre die feindliche mönchische Fassung der Überlieferung.
Daneben macht sich aber auch die feinere geltend, eine gewisse
Ehrfurcht der geheimnisvollen Helena gegenüber, die vielleicht doch
aus besseren Welten stammt und nicht nur sinnliche Lockung, seelen-
verderbliche Zauberei bringen kann. Sie vermählt sich mit Faust,
wie Aphrodite sich mit Hephästos vermählte, die Schönheit mit der
Arbeit und schenkt dem Gatten einen blühenden Knaben. Doch
als der Zauberer dem Teufel verfällt, verschwinden Sohn und Mutter
zusammen.
Dieser Mythos bezieht sich auf die Geheimlehre der Gnosis, die an
alte Philosophie geknüpft, immer wieder auftauchte, besonders von
östlichen Einflüssen getragen. Gnosis bedeutet zugleich Wissen und
Erkennen; Wissen durch logisch erarbeitete Schlußfolgerungen aus
Erfahrung; Erkennen aus der anders gearteten, aber noch wichtigeren
Intuition, Erfahrung aus Intuition.
Beides, Wissen und Erkennen, kann nur gewonnen werden durch
die himmlische Schönheit, die sich offenbarend mitteilt und in der
Seele des Wissenden abbildet. Solche Geheimlehre fand immer wieder
Adepten, so mißtrauisch und grausam ihr auch stets begegnet wurde,
besonders weil sich die Gnostiker wirklich im Besitz mancher, auch
naturwissenschaftlicher Kenntnisse befanden, die nicht mit naiven
Anschauungen und Glaubenssätzen zusammenstimmten.
Ihre verschiedenen Sekten wichen zwar voneinander ab, doch der
Grundgedanke einer Heiligung durch die Schönheit, einer Verachtung
jeder rohen Gewalt blieb allen gleich.
Jede Gewalt beleidigte nach ihrem Glauben die Menschenwürde.
62
 
Annotationen