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Methode alle Menschen gleich scharf und richtig folgern müssen,
kann nicht stimmen, denn ein Tor wird auch auf induktive Weise
töricht, ein Weiser weise sein.
Also nicht indem er Denkregeln aufstellte, sondern wie er sie an-
gewendet wissen wollte, indem er den Denk’oestrebungen und dem
Scharfsinn ein neues Ziel setzte, hat sich Bacon sein eigentümliches
Verdienst erworben. Durch dieses neue Ziel wies er auch der rein
irdischen Schönheitssehnsucht — man möchte sagen offiziell —
einen Platz an, den ihr bisher niemand eingeräumt hatte.
Er pries und vergötterte die Schönheit irdischer Güter, irdischer
Ehren, irdischer Fortschrittsmöglichkeiten so aufrichtig, wie es noch
keiner getan, und sah zum erstenmal den Zweck der Philosophie
darin, solchen Reichtum auch geistig zu vermehren, zu vervoll-
kommnen und möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen.
Wer Bacons Lehre und Bacons Leben studiert, muß zuerst schmerz-
lichen Gegensatz empfinden. Fast unbegreiflich, empörend für das
Gefühl erscheint es, daß dieser im Reich der Spekulation große,
kühne Geist sich im wirklichen Leben tief genug erniedrigte, um
der Hofgunst zulieb ein Schmeichler und Verräter zu werden, um
des Reichtums halber ein bestechlicher Richter zu sein. Diese
psychologische Ungeheuerlichkeit läßt schwanken zwischen Bewunde-
rung vor dem Denker und Abscheu vor dem Menschen.
Allein bei näherer Betrachtung erkennt man, daß eines das andere
hält, daß Bacons Geistesrichtung mit seinem Charakter in festem
Zusammenhang steht.
Bacon als ein Weiser im antiken Sinn, gleichgültig den irdischen
Gütern gegenüber, das Auge nur himmelwärts nach Schönheit ge-
richtet, hätte nimmermehr so leidenschaftlich und eindringlich auf
die Möglichkeit kultureller Fortschritte seinen Verstand und seine
philosophische Methode gerichtet. Er hätte weiter erklärt, wie viele
vor ihm und nach ihm, daß Tugend, Mäßigkeit und Entsagung, ja
daß womöglich Rückkehr zu einfachem Naturleben das einzige Ziel
des Weisen sein dürfen, statt kühnlich zu behaupten, das Ende
aller Weisheit sei das materielle Wohlergehen der Menschheit.
Er hätte von dem himmlischen Jerusalem oder irgend einer mysti-
schen civitas dei weitergeträumt und nicht als ästhetische Utopie
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