sank, als nicht mehr innerlich fromme Befriedigung, sondern äußer-
licher Beifall das Ziel des Schaffenden wurde und dadurch bald
das Kunststück an Stelle des Kunstwerkes rückte — denn die Menge
spendet ihren Beifall stets lieber dem Kunststück als dem Kunst-
werk — da verschwand die ursprünglich edle Bedeutung des Worts.
Virtuos hieß nun eben einer, der gegen entsprechenden Lohn dem
Müßigen und Reichen die Zeit totzuschlagen wußte durch seine
Geschicklichkeit im Singen, Spielen, Malen oder Bauen.
Die Überlegenheit der alten naiven Kunst über die virtuose Kunst
beweist Ruskin durch eine Betrachtung der Grabmale in Venedig,
besonders in der Kirche von S. Giovanni Paolo, wo das Können
der Hand das Können des Herzens immer mehr ablöst und wo
vom schlichtesten ergreifend einfachen Denkmal bis zum leeren,
widerlichen Theaterpomp die merkwürdige Wandlung genau zu be-
obachten ist.
Bei den älteren Denkmälern sind auch die verborgensten Stellen
mit derselben Liebe und Sorgfalt ausgeführt wie die zunächst ins
Auge fallenden.
Zu Anfang der Kunst hielten die Künstler darauf, auch das Kleinste
und Unsichtbarste auszuführen, weil das Auge Gottes es sah. Bei
den Grabmalen der Barockzeit ist herzlose Rhetorik an Stelle der
warmen Beredsamkeit getreten. Die dem Zuschauer zugewandte
Seite zeigt auffallende Mätzchen, die andere ist kaum bearbeitet.
Im Jahre 1325 lautete das ästhetische Bekenntnis der Malergilde
von Siena dahin, daß sie herzlich bestrebt sei, den armen, in heiligen
Dingen Unwissenden durch Vermittlung ihrer Kunst etwas von der
göttlichen Schönheit zu erzählen, so gut sie eben vermochte.
In der Frührenaissance berauscht sich der Künstler am eigenen
Können. Wenn nicht mehr allein zur höheren Ehre Gottes, so
arbeitet er doch, um den Besten zu gefallen und um seiner eigenen
großartigen Schöpferlaune genug zu tun.
Aber in der Übergangszeit zum Barock gilt ihm nur noch der all-
gemeine Beifall und die Bezahlung. Vom Erbe der früheren Künstler
zehrend, arbeitet er mit bewunderungswürdiger Leichtigkeit, die
zum Leichtsinn führt und glaubt an bestimmte Vorschriften und
Rezepte.
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licher Beifall das Ziel des Schaffenden wurde und dadurch bald
das Kunststück an Stelle des Kunstwerkes rückte — denn die Menge
spendet ihren Beifall stets lieber dem Kunststück als dem Kunst-
werk — da verschwand die ursprünglich edle Bedeutung des Worts.
Virtuos hieß nun eben einer, der gegen entsprechenden Lohn dem
Müßigen und Reichen die Zeit totzuschlagen wußte durch seine
Geschicklichkeit im Singen, Spielen, Malen oder Bauen.
Die Überlegenheit der alten naiven Kunst über die virtuose Kunst
beweist Ruskin durch eine Betrachtung der Grabmale in Venedig,
besonders in der Kirche von S. Giovanni Paolo, wo das Können
der Hand das Können des Herzens immer mehr ablöst und wo
vom schlichtesten ergreifend einfachen Denkmal bis zum leeren,
widerlichen Theaterpomp die merkwürdige Wandlung genau zu be-
obachten ist.
Bei den älteren Denkmälern sind auch die verborgensten Stellen
mit derselben Liebe und Sorgfalt ausgeführt wie die zunächst ins
Auge fallenden.
Zu Anfang der Kunst hielten die Künstler darauf, auch das Kleinste
und Unsichtbarste auszuführen, weil das Auge Gottes es sah. Bei
den Grabmalen der Barockzeit ist herzlose Rhetorik an Stelle der
warmen Beredsamkeit getreten. Die dem Zuschauer zugewandte
Seite zeigt auffallende Mätzchen, die andere ist kaum bearbeitet.
Im Jahre 1325 lautete das ästhetische Bekenntnis der Malergilde
von Siena dahin, daß sie herzlich bestrebt sei, den armen, in heiligen
Dingen Unwissenden durch Vermittlung ihrer Kunst etwas von der
göttlichen Schönheit zu erzählen, so gut sie eben vermochte.
In der Frührenaissance berauscht sich der Künstler am eigenen
Können. Wenn nicht mehr allein zur höheren Ehre Gottes, so
arbeitet er doch, um den Besten zu gefallen und um seiner eigenen
großartigen Schöpferlaune genug zu tun.
Aber in der Übergangszeit zum Barock gilt ihm nur noch der all-
gemeine Beifall und die Bezahlung. Vom Erbe der früheren Künstler
zehrend, arbeitet er mit bewunderungswürdiger Leichtigkeit, die
zum Leichtsinn führt und glaubt an bestimmte Vorschriften und
Rezepte.
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