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Gleichen-Rußwurm, Alexander
Die Schönheit: ein Buch der Sehnsucht — Stuttgart: Verlag Julius Hoffmann, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.65310#0122
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feine Ironien sollten auch die Leute von Welt zur Philosophie be-
kehren, die ihnen sonst griesgrämig entgegenkam, denn Shaftesbury
meinte:
Pedanterie ist ein Mühlstein, der das beste Buch versenken kann.
Allein seine weltmännische Art reizte schon unter den Zeitgenossen
die Pedanten gegen ihn auf.
Die Theologen fanden es zunächst unverschämt, die Fehler der
Menschen als Ungezogenheiten und nicht als die schrecklichen Folgen
der Erbsünde zu betrachten. Dann tadelten sie, daß nicht Zer-
knirschung und Reue, sondern die Erziehung zum guten Geschmack
als Heilmittel gepriesen sei.
Einem späteren, sich demokratisch gebenden Zeitalter konnte der
englische Philosoph nicht sympatisch sein, da er als rechter Grand-
seigneur in den Fehlern der Menschen mitleidig Ungezogenheiten
belächelte oder belachte, die guten Eigenschaften aber nicht als
außerordentliche Tugenden pries, sondern für selbstverständliche
Früchte vornehmer Denkweise hielt und sie aus der gelassenen Be-
wertung aller Dinge erklärte.
Einem hoffnungslos plebeisch Empfindenden mußte solche feine,
elegante Lässigkeit wie Hoffart erscheinen. Ich könnte mir z. B.
keine größere psychologische Merkwürdigkeit vorstellen als den
spät humanistischen Lord, der die Art eines Gentleman über alles
stellte, als Zuschauer eines Ibsenstückes zu sehen, dessen Probleme
und Konflikte sich meist folgerichtig auf dem Mangel an innerer
und äußerer Wohlerzogenheit der handelnden Personen aufbauen.
XXVI
Shaftesbury war im edelsten Sinn des Wortes von alter Weisheit
genährt (nourri des anciens). Er hatte nicht oberflächlich oder wider-
willig die griechischen und römischen Autoren gekostet, sondern
ihre Sprache von Kindheit an wie eine lebendige beherrscht und
die ganze Nahrung seines Gemüts aus ihnen gezogen, so daß Herder
mit Recht von ihm sagen konnte, der Geschmack der Alten zeichne
seine Schriften aus bis auf ihre süßen Fehler.
Im antiken Sinn legt Shaftesbury großes Gewicht auf die Erziehung
zur Schönheit durch die Freundschaft.
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