in seinem Idealstaat jede Kleinigkeit so streng geordnet wissen, daß
z. B. der Tanz verheirateten Personen untersagt sein müsse, um die
eheliche Würde aufrecht zu erhalten. Das Theater verurteilte er,
weil es entschieden unpassend sei, die beiden Geschlechter zu ver-
einigen, die von der Natur bestimmt sind, getrennt zu leben*).
Voltaire und sein ganzer Kreis erachteten aber gerade das Theater
als eine unentbehrliche Schule, ihnen war die Kunst das beste Mittel,
die Menschen gut zu machen und das innere Auge für die unsicht-
bare Schönheit der Seele zu öffnen.
In seinem Lehrgedicht über die Menschen verweist der als Atheist
verschriene Philosoph von Ferney auf die Lehre des Evangeliums
und lobt den Abbe de Saint-Pierre, daß er das Wort Bienfaisance —
Wohltätigkeit — erfunden habe. Damit deutet Voltaire in fernere
Zukunft, um die philosophisch Gesinnten vor allem wieder auf die
Fragen der sozialen Hilfeleistung zu lenken. Bienfaisance — meint
er — umschließe alles, was Tugend und Sitte sei. Er verkündet
die ästhetischen Pflichten:
Les miracles sont bons; mais soulager son frere,
Mais tirer son ami du sein de la misere,
Mais a ses ennemis pardonner leurs vertus,
C'est un plus grand miracle, et qui ne se fait plus.
XXXIV
Die ungeheuere geduldige Arbeit der vorangehenden und zeit-
genössischen Denker wohlgeordnet hinter der gewaltigen Stirn, den
Wunsch Voltaires im Herzen, die Ergebnisse des gebildeten Denkens
werktätig ins Leben zu führen und das Bildnis Rousseaus über
seinem Schreibtisch arbeitete Kant an der Lehre vom Schönen, das
ihm zum Symbol des sittlich Guten wurde.
Baumgartens Idee der cognitio sensitiva, des fühlenden Wissens war
trotz aller Kommentare, die sie überwucherte, noch immer sichtbar
vorhanden und anerkannt.
Im Grunde handelte es sich darum, dieser Erkenntnis den richtigen
*) Suivons les indications de la nature, consultons le bien de la societe,
nous trouverons que les deux sexes doivent se rassembler quelquefois et
vivre ordinairement separes.
146
z. B. der Tanz verheirateten Personen untersagt sein müsse, um die
eheliche Würde aufrecht zu erhalten. Das Theater verurteilte er,
weil es entschieden unpassend sei, die beiden Geschlechter zu ver-
einigen, die von der Natur bestimmt sind, getrennt zu leben*).
Voltaire und sein ganzer Kreis erachteten aber gerade das Theater
als eine unentbehrliche Schule, ihnen war die Kunst das beste Mittel,
die Menschen gut zu machen und das innere Auge für die unsicht-
bare Schönheit der Seele zu öffnen.
In seinem Lehrgedicht über die Menschen verweist der als Atheist
verschriene Philosoph von Ferney auf die Lehre des Evangeliums
und lobt den Abbe de Saint-Pierre, daß er das Wort Bienfaisance —
Wohltätigkeit — erfunden habe. Damit deutet Voltaire in fernere
Zukunft, um die philosophisch Gesinnten vor allem wieder auf die
Fragen der sozialen Hilfeleistung zu lenken. Bienfaisance — meint
er — umschließe alles, was Tugend und Sitte sei. Er verkündet
die ästhetischen Pflichten:
Les miracles sont bons; mais soulager son frere,
Mais tirer son ami du sein de la misere,
Mais a ses ennemis pardonner leurs vertus,
C'est un plus grand miracle, et qui ne se fait plus.
XXXIV
Die ungeheuere geduldige Arbeit der vorangehenden und zeit-
genössischen Denker wohlgeordnet hinter der gewaltigen Stirn, den
Wunsch Voltaires im Herzen, die Ergebnisse des gebildeten Denkens
werktätig ins Leben zu führen und das Bildnis Rousseaus über
seinem Schreibtisch arbeitete Kant an der Lehre vom Schönen, das
ihm zum Symbol des sittlich Guten wurde.
Baumgartens Idee der cognitio sensitiva, des fühlenden Wissens war
trotz aller Kommentare, die sie überwucherte, noch immer sichtbar
vorhanden und anerkannt.
Im Grunde handelte es sich darum, dieser Erkenntnis den richtigen
*) Suivons les indications de la nature, consultons le bien de la societe,
nous trouverons que les deux sexes doivent se rassembler quelquefois et
vivre ordinairement separes.
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