sich handelte, und schrieb, daß der Genfer sich mit Geist und
Paradoxen übertreffe, aber glücklicherweise selbst nicht daran
glaube.
Doch die gefühlvollen Leute wurden von Voltaires Lehre abge-
schreckt, als sei sie angetan, das Schöne und Begeisternswerte aus
der Welt zu spotten. Manches klang allerdings häßlich genug in
dem berüchtigten Gedicht La Pucelle, und die Empörung darüber
war gerechtfertigt. Dem weimarischen Kreis, wie vielen andern
war es aber unbekannt, daß La Pucelle nicht die historische Jung-
frau verspotten sollte, sondern das lächerliche schwülstige Gedicht
Chapelains, das den Spott herausfordern mußte. Chapelain hatte
viele Jahre lang eine große Pension genossen, um diese patriotische
Dichtung zu liefern. Das Werk wurde zum Inbegriff hohler De-
klamation durch seine subventionierten, patriotischen Töne. Es war
also im Grund genommen ein gerechter Ekel ästhetischer Empörung,
der Voltaires Parodie veranlaßte. Pseudo-Patriotismus, der sich be-
zahlen läßt oder gut bezahlt macht, sollte immer die Geißel der
Satire erfahren.
Nicht als spöttischen Feind jeden ästhetischen Glaubens dürfen wir
uns Voltaire vorstellen, sondern nur als grimmigen Gegner der Aus-
wüchse, Verschrobenheiten und Unaufrichtigkeiten, die der Zug der
Zeit mit sich brachte mit seiner affektierten, oft geheuchelten Schön-
rednerei, für deren begabtesten und wichtigsten Vertreter Rousseau
zu gelten hat.
Diese Unterscheidung ist sehr wertvoll, denn man könnte leicht irre
werden oder verzweifeln an den Segnungen ästhetischer Gefühle,
wenn man die possierlichen oder tragischen Widersprüche ästheti-
schen Ehrgeizes während der französischen Revolution betrachtet.
Nichts ist widriger als die Gefühlsduselei einerseits, die Grausam-
keit andererseits, die Zügellosigkeit, die sich mit Tugenddeklama-
tionen paart, der ungeheure Selbstbetrug, der uns auf Schritt und
Tritt begegnet und so merkwürdig ansteckend wirkte.
Der blutige Fabre d’Eglantine dichtet in seinen Mußestunden süß-
liche Schäferreime, wie das berühmte gefühlvolle Madrigal:
II pleut, il pleut, bergere.
Rousseaus Lebenswandel läßt alles zu wünschen übrig, allein er will
Schönheit 10 145
Paradoxen übertreffe, aber glücklicherweise selbst nicht daran
glaube.
Doch die gefühlvollen Leute wurden von Voltaires Lehre abge-
schreckt, als sei sie angetan, das Schöne und Begeisternswerte aus
der Welt zu spotten. Manches klang allerdings häßlich genug in
dem berüchtigten Gedicht La Pucelle, und die Empörung darüber
war gerechtfertigt. Dem weimarischen Kreis, wie vielen andern
war es aber unbekannt, daß La Pucelle nicht die historische Jung-
frau verspotten sollte, sondern das lächerliche schwülstige Gedicht
Chapelains, das den Spott herausfordern mußte. Chapelain hatte
viele Jahre lang eine große Pension genossen, um diese patriotische
Dichtung zu liefern. Das Werk wurde zum Inbegriff hohler De-
klamation durch seine subventionierten, patriotischen Töne. Es war
also im Grund genommen ein gerechter Ekel ästhetischer Empörung,
der Voltaires Parodie veranlaßte. Pseudo-Patriotismus, der sich be-
zahlen läßt oder gut bezahlt macht, sollte immer die Geißel der
Satire erfahren.
Nicht als spöttischen Feind jeden ästhetischen Glaubens dürfen wir
uns Voltaire vorstellen, sondern nur als grimmigen Gegner der Aus-
wüchse, Verschrobenheiten und Unaufrichtigkeiten, die der Zug der
Zeit mit sich brachte mit seiner affektierten, oft geheuchelten Schön-
rednerei, für deren begabtesten und wichtigsten Vertreter Rousseau
zu gelten hat.
Diese Unterscheidung ist sehr wertvoll, denn man könnte leicht irre
werden oder verzweifeln an den Segnungen ästhetischer Gefühle,
wenn man die possierlichen oder tragischen Widersprüche ästheti-
schen Ehrgeizes während der französischen Revolution betrachtet.
Nichts ist widriger als die Gefühlsduselei einerseits, die Grausam-
keit andererseits, die Zügellosigkeit, die sich mit Tugenddeklama-
tionen paart, der ungeheure Selbstbetrug, der uns auf Schritt und
Tritt begegnet und so merkwürdig ansteckend wirkte.
Der blutige Fabre d’Eglantine dichtet in seinen Mußestunden süß-
liche Schäferreime, wie das berühmte gefühlvolle Madrigal:
II pleut, il pleut, bergere.
Rousseaus Lebenswandel läßt alles zu wünschen übrig, allein er will
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