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Andacht beseligt beide in gleicherweise, wenn sie an dem steinernen
Gartentisch zu Jena gute und große Worte wechseln, wie Goethe
mit sanfter Trauer um den Freund erzählt hat.
Nur aus der Freiheit ihrer Schönheit war das Einzigartige ihres
Zusammenklingens ermöglicht. Die Erinnerung, daß eine solche
Vollkommenheit von sterblichen Menschen erreicht worden ist, muß
die Nachfahren erquicken und trösten mitten unter den Zweifeln
und Schauern einer schönheitsfeindlichen Zeit.
Groß beginnet ihr Titanen, aber leiten
Zu dem ewig Großen, ewig Schönen
Ist der Götter Werk. Die laßt gewähren.
In diesen Worten der Pandora, dem Göttergeschenk, dem Sinnbild
reiner Schönheit, tritt Goethes ästhetisches Bekenntnis klar zutage.
Scharf und deutlich sondern sich aus dem Werdegang seiner Welt-
anschauung zwei Strömungen.
Die eine, gefärbt von Ansichten des Tages und der Zeit, rauscht
um die Fragen von Kunst und Kunstgeschmack. Sie ist wechselnd
und wird in ihrer Richtung von jenen beeinflußt, an deren Schaffen
sich der Meister gerade erfreut.
Die andere, klar wie Quellwasser, strebt der Ewigkeit zu. In ihrem
Spiegel sehen wir die eigene Schönheitssehnsucht, getragen von einem
großen Geist, der irrend und kämpfend weise geworden ist.
Vor dem Straßburger Münster erkannte der junge Goethe die Herr-
lichkeit der gotischen Baukunst. Damals schrieb er: Die Kunst
ist lange bildend, ehe sie schön ist und doch so wahre und große
Kunst, ja oft wahrer und größer als die schöne selbst. Denn in
dem Menschen ist eine bildende Natur, die gleich sich tätig erweist,
wenn seine Existenz gesichert ist.
Goethe kennt den Gegensatz, in den ihn diese Äußerung zu den
anerkannten Kunstlehrern bringt, zu Winckelmann, Rafael Mengs und
Lessing, aber er unterliegt gern dem gewaltigen Eindruck und ruft
den Anhängern des klassischen Ideals die jugendlich begeisterten
Worte zu : Ihr selbst, treffliche Menschen, denen die höchste Schönheit
zu genießen gegeben war, Ihr schadet dem Genius; er will auf keinen
fremden Flügeln, und wären s die Flügel der Morgenröte, empor-
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