Die Wanderjahre sollen die schöne Gesellschaft und den schönen
Staat in Erscheinung bringen.
Eine Ästhetik des sozialen Lebens, die späteren allzu scharf und
zu wenig vermittelnd auftretenden Richtungen versagt blieb, wird
hier mutig aufgebaut.
Jede Art von Besitz soll der Mensch festhalten, lehrt der Oheim
im Roman, er soll sich zum Mittelpunkt machen, von dem das
Gemeingut ausgehen kann; er muß Egoist sein, um nicht Egoist zu
werden. Er muß Zusammenhalten, damit er spenden könne. Was
soll es heißen, Besitz und Gut an die Armen spenden? Löb-
licher ist, sich für sie als Verwalter betragen. Dies ist der Sinn
der Worte Besitz und Gemeingut; das Kapital soll niemand an-
greifen, die Interessen werden ohnehin im Weltlauf schon Jedermann
angehören.
In Wahrheit ist dem ästhetisch Tugendhaften der Besitz nichts als
ein Amt, dem er gewissenhaft vorsteht.
Er besitzt am wirklichsten, was er schenkt, und sein Streben nach
Besitz bedeutet nichts als den Willen, möglichst klug zu schenken.
Auszubreiten, zu verwerten, vielen gern etwas zugut kommen zu
lassen! Goethe zeigt uns dies in unzähligen, interessanten Bei-
spielen. Er ändert besonnen die Grundsätze der damals modernen
Volksbeglücker, eines Beccaria, eines Filangieri um. Jene meinten:
den Meisten das Beste. Aber wie die Meisten erreichen? Und
was ist das Beste? Goethe sagt daher: Vielen das Erwünschte.
Denn Viele können wir erreichen, Vieler Wünsche können und dürfen
wir erfüllen und es ist der Inbegriff ästhetischer Glückseligkeit, un-
ablässig danach zu trachten.
In Goethes pädagogischen Provinzen ist die liebenswürdigste aller
Utopien zu finden.
Als Grundgedanke erscheint die Anschauung, daß es im Sinn der
Schönheit nicht statthaft sei, alles Bestehende niederzureißen, um
ein Neues, Besseres aufzurichten, sondern daß dies Neue aus be-
währtem Altem organisch hervorwachsen müsse, behutsam zu der
besten Bildung gebracht. Wehe jeder Bildung, welche die wirksamsten
Mittel aller Bildung zerstört und uns auf das Ende hinweist, anstatt
uns auf dem Wege selbst zu beglücken!
188
Staat in Erscheinung bringen.
Eine Ästhetik des sozialen Lebens, die späteren allzu scharf und
zu wenig vermittelnd auftretenden Richtungen versagt blieb, wird
hier mutig aufgebaut.
Jede Art von Besitz soll der Mensch festhalten, lehrt der Oheim
im Roman, er soll sich zum Mittelpunkt machen, von dem das
Gemeingut ausgehen kann; er muß Egoist sein, um nicht Egoist zu
werden. Er muß Zusammenhalten, damit er spenden könne. Was
soll es heißen, Besitz und Gut an die Armen spenden? Löb-
licher ist, sich für sie als Verwalter betragen. Dies ist der Sinn
der Worte Besitz und Gemeingut; das Kapital soll niemand an-
greifen, die Interessen werden ohnehin im Weltlauf schon Jedermann
angehören.
In Wahrheit ist dem ästhetisch Tugendhaften der Besitz nichts als
ein Amt, dem er gewissenhaft vorsteht.
Er besitzt am wirklichsten, was er schenkt, und sein Streben nach
Besitz bedeutet nichts als den Willen, möglichst klug zu schenken.
Auszubreiten, zu verwerten, vielen gern etwas zugut kommen zu
lassen! Goethe zeigt uns dies in unzähligen, interessanten Bei-
spielen. Er ändert besonnen die Grundsätze der damals modernen
Volksbeglücker, eines Beccaria, eines Filangieri um. Jene meinten:
den Meisten das Beste. Aber wie die Meisten erreichen? Und
was ist das Beste? Goethe sagt daher: Vielen das Erwünschte.
Denn Viele können wir erreichen, Vieler Wünsche können und dürfen
wir erfüllen und es ist der Inbegriff ästhetischer Glückseligkeit, un-
ablässig danach zu trachten.
In Goethes pädagogischen Provinzen ist die liebenswürdigste aller
Utopien zu finden.
Als Grundgedanke erscheint die Anschauung, daß es im Sinn der
Schönheit nicht statthaft sei, alles Bestehende niederzureißen, um
ein Neues, Besseres aufzurichten, sondern daß dies Neue aus be-
währtem Altem organisch hervorwachsen müsse, behutsam zu der
besten Bildung gebracht. Wehe jeder Bildung, welche die wirksamsten
Mittel aller Bildung zerstört und uns auf das Ende hinweist, anstatt
uns auf dem Wege selbst zu beglücken!
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