Darum erscheint der gleichzeitige lange Streit zwischen der soge-
nannten Gehaltsästhetik und Formalästhetik, der im Grund auf will-
kürlicher Auffassung der Worte, Gehalt und Form beruht, für die
Geschichte der menschlichen Schönheitssehnsucht verhältnismäßig
belanglos.
In Frankreich vervollständigte Reids Einfluß die Wirkung der deut-
schen Romantik. Victor Cousin, den seine Landsleute Vater der
Ästhetik nannten, hat in dem Werk Du vrai, du beau et du bien
einige seiner Gedanken populär gefaßt und dadurch weit hinaus
gewirkt. Er war nicht immer reich und warm genug, dies groß-
zügig zu tun, doch es gelang ihm, einige Sätze klar in vollendeter
Form zu fassen *).
Er unterscheidet scharf zwischen der Lust am Angenehmen, die den
Wunsch nach Besitz, den eifersüchtigen oder geizigen Drang zu
haben notwendig mit sich bringt und der Sympathie im Sinne Reids
als einer uneigennützigen Neigung. Nur der Schönheitsforscher
genießt ohne Wunsch nach Besitz.
L’admiration est pour celui qui l’eprouve ά la fois un bonheur et
un honneur. Eine sehr feine Bemerkung. Denn fühlen wir uns
nicht gehoben und stolz, gleichsam geadelt, wenn wir bewundern,
und ist es nicht eine tiefe Kränkung des Ehrgefühls, wenn wir in
dieser erhabenen Empfindung verletzt werden? Solche Verletzung
ist die tiefste Ursache mancher Entfremdung, indes anerkannte Be-
wunderung tiefste Ursache inniger Gemeinschaft wird.
Zur theistischen Ästhetik, die jede Schönheitsforschung in der Vor-
stellung Gottes ausmünden läßt und die unter seinen zeitgenössi-
schen deutschen Philosophen verwandte Erscheinungen zeigt, bekennt
sich Cousin. Le genie est l’interprete de Dieu. La nature l’ex-
prime ά sa maniere, le genie ά la sienne.
II y a dans le fand de l'äme humaine une puissance infinie de sentir
et d’aimer ά laquelle le monde entier ne repond pas.
Dieser Sehnsuchtsseufzer klingt in unendlichen Variationen durch
alle dichterischen Offenbarungen der Zeit. Unstillbar ist die Seele.
L aversion accompagne le jugement du laid comme l’amour le jugement
du beau. — L admiration est de sa nature respectueuse tandis que le desir
tend ά profaner son objet.
Schönheit 14 209
nannten Gehaltsästhetik und Formalästhetik, der im Grund auf will-
kürlicher Auffassung der Worte, Gehalt und Form beruht, für die
Geschichte der menschlichen Schönheitssehnsucht verhältnismäßig
belanglos.
In Frankreich vervollständigte Reids Einfluß die Wirkung der deut-
schen Romantik. Victor Cousin, den seine Landsleute Vater der
Ästhetik nannten, hat in dem Werk Du vrai, du beau et du bien
einige seiner Gedanken populär gefaßt und dadurch weit hinaus
gewirkt. Er war nicht immer reich und warm genug, dies groß-
zügig zu tun, doch es gelang ihm, einige Sätze klar in vollendeter
Form zu fassen *).
Er unterscheidet scharf zwischen der Lust am Angenehmen, die den
Wunsch nach Besitz, den eifersüchtigen oder geizigen Drang zu
haben notwendig mit sich bringt und der Sympathie im Sinne Reids
als einer uneigennützigen Neigung. Nur der Schönheitsforscher
genießt ohne Wunsch nach Besitz.
L’admiration est pour celui qui l’eprouve ά la fois un bonheur et
un honneur. Eine sehr feine Bemerkung. Denn fühlen wir uns
nicht gehoben und stolz, gleichsam geadelt, wenn wir bewundern,
und ist es nicht eine tiefe Kränkung des Ehrgefühls, wenn wir in
dieser erhabenen Empfindung verletzt werden? Solche Verletzung
ist die tiefste Ursache mancher Entfremdung, indes anerkannte Be-
wunderung tiefste Ursache inniger Gemeinschaft wird.
Zur theistischen Ästhetik, die jede Schönheitsforschung in der Vor-
stellung Gottes ausmünden läßt und die unter seinen zeitgenössi-
schen deutschen Philosophen verwandte Erscheinungen zeigt, bekennt
sich Cousin. Le genie est l’interprete de Dieu. La nature l’ex-
prime ά sa maniere, le genie ά la sienne.
II y a dans le fand de l'äme humaine une puissance infinie de sentir
et d’aimer ά laquelle le monde entier ne repond pas.
Dieser Sehnsuchtsseufzer klingt in unendlichen Variationen durch
alle dichterischen Offenbarungen der Zeit. Unstillbar ist die Seele.
L aversion accompagne le jugement du laid comme l’amour le jugement
du beau. — L admiration est de sa nature respectueuse tandis que le desir
tend ά profaner son objet.
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