sanfteren Töne scheinbar umsonst verhallt waren. Sie erachteten
es schließlich für Frevel oder Kinderei, Schmuck an dem Gebäude
der Kultur anzubringen, nachdem der grundlegende Bau sich als
verfehlt, als gefährlich schwankend erwiesen. Tolstoi verfolgte grimmig
die Kunst seiner Tage, auch deren harmlosesten Luxus, Nietzsche
wollte eine Umwertung aller Werte, das Allzumenschliche vertilgen,
um endlich zu dem rein Menschlichen zu kommen.
So viel läßt sich noch überblicken, noch fühlend begreifen, was
das Heute will und kann. Was nach der heutigen Götterdämmerung,
die unsere Verstocktheit heraufbeschwor, übrig bleibt oder neu
entsteht, kann kein Sterblicher klüglich beschreiben. Der Ver-
gangenheit möglichst gerecht und klar forschend ins Auge zu sehen,
ist jedoch Pflicht, um in der Gegenwart mit bestem Wissen und
Gewissen zu handeln und der Zukunft unerschrocken zu begegnen.
L
Als bewußter Gegner Hegels trat Schopenhauer auf.
Die Stellung, die von der Kunst im Leben eingenommen wird oder
die sie einnehmen soll, spiegelt sich bald verschieden, bald ähn-
lich in den Werken der beiden Philosophen, die von ihren An-
hängern zu Führern sich einander ausschließender Parteien gemacht
wurden.
Hegel hatte soviel Vernunft in der Welt gesehen, daß er das Wirk-
liche und Vernünftige für eins erklärte.
Schopenhauer sah soviel Unvernunft, Jammer und Elend, daß er
sein Heil in der Verneinung des Willens zum Leben erkannte.
Unser Wollen ist ein unaufhörliches Begehren und als solches ewiges
Leid. Es gleicht den Strafen der Unterwelt. Unaufhörlich muß
Tantalus hungern, Sisyphus den Stein wälzen, unaufhörlich dreht
sich das Feuerrad des Ixion. Frei von der Qual des nie gesättigten
Begehrens sind wir nur, wenn wir irgend etwas ästhetisch betrachten,
wir ruhen aus von der Zuchthausarbeit des Willens, es ist Feier-
abend, das Rad des Ixion steht still. Erhaben über die Lebens-
zustände und deren Ungleichheit sind wir der Spiegel der Welt.
Entladen von schnödem Weltdrang fühlen wir die Wohltat des
Schönen, denn alles Schöne ist Kunst, das ein anderer Wille in
Schönheit 15 225
es schließlich für Frevel oder Kinderei, Schmuck an dem Gebäude
der Kultur anzubringen, nachdem der grundlegende Bau sich als
verfehlt, als gefährlich schwankend erwiesen. Tolstoi verfolgte grimmig
die Kunst seiner Tage, auch deren harmlosesten Luxus, Nietzsche
wollte eine Umwertung aller Werte, das Allzumenschliche vertilgen,
um endlich zu dem rein Menschlichen zu kommen.
So viel läßt sich noch überblicken, noch fühlend begreifen, was
das Heute will und kann. Was nach der heutigen Götterdämmerung,
die unsere Verstocktheit heraufbeschwor, übrig bleibt oder neu
entsteht, kann kein Sterblicher klüglich beschreiben. Der Ver-
gangenheit möglichst gerecht und klar forschend ins Auge zu sehen,
ist jedoch Pflicht, um in der Gegenwart mit bestem Wissen und
Gewissen zu handeln und der Zukunft unerschrocken zu begegnen.
L
Als bewußter Gegner Hegels trat Schopenhauer auf.
Die Stellung, die von der Kunst im Leben eingenommen wird oder
die sie einnehmen soll, spiegelt sich bald verschieden, bald ähn-
lich in den Werken der beiden Philosophen, die von ihren An-
hängern zu Führern sich einander ausschließender Parteien gemacht
wurden.
Hegel hatte soviel Vernunft in der Welt gesehen, daß er das Wirk-
liche und Vernünftige für eins erklärte.
Schopenhauer sah soviel Unvernunft, Jammer und Elend, daß er
sein Heil in der Verneinung des Willens zum Leben erkannte.
Unser Wollen ist ein unaufhörliches Begehren und als solches ewiges
Leid. Es gleicht den Strafen der Unterwelt. Unaufhörlich muß
Tantalus hungern, Sisyphus den Stein wälzen, unaufhörlich dreht
sich das Feuerrad des Ixion. Frei von der Qual des nie gesättigten
Begehrens sind wir nur, wenn wir irgend etwas ästhetisch betrachten,
wir ruhen aus von der Zuchthausarbeit des Willens, es ist Feier-
abend, das Rad des Ixion steht still. Erhaben über die Lebens-
zustände und deren Ungleichheit sind wir der Spiegel der Welt.
Entladen von schnödem Weltdrang fühlen wir die Wohltat des
Schönen, denn alles Schöne ist Kunst, das ein anderer Wille in
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