Daß die Musik eine Offenbarung der Welt sei, hat zum erstenmal
Pythagoras ausgesprochen, als er das Wesen und die Ordnung des
Alls durch Zahlen und Zahlenverhältnisse erklärte, die in der Har-
monie der Sphären und der Töne sich wiederholen. Die Tonleiter
oder Oktave, die Pythagoras entdeckte, hieß harmonie — Einklang —
Ebenmaß (αρμονία). Unter dem Einfluß dieser Lehre hat Platon im
Timaeus für die Entfernungen der Planeten ein Zahlensystem auf-
gestellt, das nach Oktaven fortschreiten sollte. Da die Tonverhält-
nisse Zahlenverhältnisse sind, versuchte Leibniz in dem Verständnis
der letzteren das eigentliche musikalische Wohlgefallen zu ent-
decken.
Aber der Fortschritt in der Erkenntnis zeigte, daß die akustischen
Zahlen wohl die mathematisch-musikalische Grundlage der Musik
sind, aber nicht deren Inhalt.
In Wagners Musik wird Schopenhauers Weltanschauung lebendig.
Der Philosoph erklärt: Eine Beethovensche Symphonie zeigt uns die
größte Verwirrung, in welcher die vollkommenste Ordnung zugrunde
liegt, den heftigsten Kampf, der sich im nächsten Augenblick zur
schönsten Eintracht gestaltet. Es ist rerurn concordia discors, ein
treues und vollkommenes Abbild des Wesens der Welt, welche dahin-
rollt, in unübersehbarem Gewirre zahlloser Gestalten und durch stete
Zerstörung sich selbst erhält. Zugleich nun aber sprechen aus dieser
Symphonie alle menschlichen Leidenschaften und Affekte: Es ist ihre
bloße Form ohne den Stoff wie eine Geisterwelt ohne Materie.
Zu dieser Geisterwelt gesellte Wagner allerdings die übrigen Künste.
Der Mensch sollte von allen Seiten ergriffen und vollkommen der
Kunst untertan gemacht werden. Denn nur solche glückliche Unter-
tänigkeit könne ihn vom Joch der Wissenschaft befreien.
Was machte den Griechen der Blütezeit zu einem freien Men-
schen ?
Seine Kunst, seine Festspiele, solange sie wahre Weihespiele blieben,
stärkten immer wieder den Einzelnen und die Gemeinschaft gegen
jede Tyrannis. Mit romantischem Ingrimm haßte Wagner die
Wissenschaft, in der Hegels Anhänger den Weg zur Freiheit sahen,
denn sie erschien ihm nicht nur als Gegensatz sondern als Todfeind
von Kunst und Freiheit.
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Pythagoras ausgesprochen, als er das Wesen und die Ordnung des
Alls durch Zahlen und Zahlenverhältnisse erklärte, die in der Har-
monie der Sphären und der Töne sich wiederholen. Die Tonleiter
oder Oktave, die Pythagoras entdeckte, hieß harmonie — Einklang —
Ebenmaß (αρμονία). Unter dem Einfluß dieser Lehre hat Platon im
Timaeus für die Entfernungen der Planeten ein Zahlensystem auf-
gestellt, das nach Oktaven fortschreiten sollte. Da die Tonverhält-
nisse Zahlenverhältnisse sind, versuchte Leibniz in dem Verständnis
der letzteren das eigentliche musikalische Wohlgefallen zu ent-
decken.
Aber der Fortschritt in der Erkenntnis zeigte, daß die akustischen
Zahlen wohl die mathematisch-musikalische Grundlage der Musik
sind, aber nicht deren Inhalt.
In Wagners Musik wird Schopenhauers Weltanschauung lebendig.
Der Philosoph erklärt: Eine Beethovensche Symphonie zeigt uns die
größte Verwirrung, in welcher die vollkommenste Ordnung zugrunde
liegt, den heftigsten Kampf, der sich im nächsten Augenblick zur
schönsten Eintracht gestaltet. Es ist rerurn concordia discors, ein
treues und vollkommenes Abbild des Wesens der Welt, welche dahin-
rollt, in unübersehbarem Gewirre zahlloser Gestalten und durch stete
Zerstörung sich selbst erhält. Zugleich nun aber sprechen aus dieser
Symphonie alle menschlichen Leidenschaften und Affekte: Es ist ihre
bloße Form ohne den Stoff wie eine Geisterwelt ohne Materie.
Zu dieser Geisterwelt gesellte Wagner allerdings die übrigen Künste.
Der Mensch sollte von allen Seiten ergriffen und vollkommen der
Kunst untertan gemacht werden. Denn nur solche glückliche Unter-
tänigkeit könne ihn vom Joch der Wissenschaft befreien.
Was machte den Griechen der Blütezeit zu einem freien Men-
schen ?
Seine Kunst, seine Festspiele, solange sie wahre Weihespiele blieben,
stärkten immer wieder den Einzelnen und die Gemeinschaft gegen
jede Tyrannis. Mit romantischem Ingrimm haßte Wagner die
Wissenschaft, in der Hegels Anhänger den Weg zur Freiheit sahen,
denn sie erschien ihm nicht nur als Gegensatz sondern als Todfeind
von Kunst und Freiheit.
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