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anderen. Ein Morris besingt Griechinnen wie englische Prinzessinnen,
und seine Traumgeschöpfe gehen schwesterlich verschränkt mit den
Florentinerinnen des vierzehnten Jahrhunderts, die Dante Gabriel
Rossetti liebt, malt und besingt. Im Grund handelt es sich um ein
Land Orplid, ein Land der Sehnsucht. Weil sie dieses Land kennen,
sind sie freie Menschen, die einen großen Freiheitsbrief errungen
haben, den ihnen keine Macht rauben kann.
Aber nicht nur einem kleinen Kreis erlesener Ritter sollte die neu-
zeitliche Schönheit edles Freisein bringen.
Sie sollte dem Volk damit nahen, dem arbeitenden und denkenden
Volk und es lehren, immer vollkommener zu arbeiten und besser
zu denken.
Mit der seelenmordenden Gefahr seiner Geschmacklosigkeit sollte
das Philistertum einfach ausgehungert werden, nirgends mehr seinen
groben Geltungstrieb befriedigen können.
Wenn sich die Künstlerschar nach der Vergangenheit umsah, so war
es, um in der Gegenwart desto gegenwärtiger zu wirken und frei
nach der Zukunft zu schauen; nicht um die von der eigenen Zeit
auferlegte Pflicht zu fliehen oder nur mit effektvoller alter Manier
zu prunken.
Diese aufrichtigen Schönheitssucher verkleinern zu wollen, wäre
kleinlich, auch unseren großen deutschen Männern gegenüber, denn
sie sind Geist von deren Geist, Brüder im heiligsten Sinn. Ist nicht
das Lebenswerk des fromm geschäftigen Morris ein Buchschmuck
für Schillers Wort?
Das ist’s ja, was den Menschen zieret,
Und dazu ward ihm der Verstand,
Daß er im innern Herzen spüret,
Was er erschafft mit seiner Hand.
Gingen diese Männer nicht vom Häuslichen aus, wie Goethe ge-
boten , ist ihr ganzes Wollen und Streben nicht wie aus Wilhelm
Meister geholt?
Sie wollten das Leben für die Kunst erobern und die Kunst für
das Leben. Für Aller Leben, wohlgemerkt.
Wenn Morris Stil so durchaus vornehm ist und von unvornehmen
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