heit, der sonnigen Frühlingstage. Er lächelt, die Erde hat ihn wieder.
Und war er nicht nur ein Kranker oder Trauriger, war er verbittert,
durch Häßlichkeiten böse geworden, kann ihm die demütige Ringel-
blume besser predigen, als der Kanzelmächtige, dem man schnell
entrinnt. Sie wohnt mit dem Unglücklichen, sie ist immer bereit,
ihm Freundliches und Ernstes zu sagen durch die Harmonie von
Farbe und Form, die ein Stück der mystischen Weltharmonie ist
kraft der Liebe des Schaffenden, der sie in das Gedicht der mensch-
lichen Sehnsucht geflochten hat.
Das ist ungefähr der Sinn, den Morris und seine Genossen in die
tägliche Verrichtung der Kunst legen wollten. Wie ein Gebet
sollte sie von nun an den Tag umschweben und die Müden auf-
richten.
Einst hat die Londoner Polizei Morris beanstandet, weil er frei-
mütig zu den Sozialisten hielt. Es wirkt leise komisch, daß der
feine Poet und Träumer roh beanstandet wird, aber sehr bezeich-
nend für die Lage des englischen Idealismus und die Lage des
Idealisten überhaupt.
Er ist der ritterliche Däumling, der sich und die Geschwister retten
will vor dem ungeheuren Menschenfresser.
Aber die Kinder, die der Menschenfresser für seine Mahlzeit mästet,
gewöhnen sich an ihre Lage. Das ist das Schlimmste, sie freuen
sich noch der guten Bissen, die ihnen gereicht werden. Bald be-
trachten sie es als Pflicht, vielleicht als Ehre, von dem Ungeheuer
gefressen zu werden, und halten selbst den Nacken hin.
Für diesmal ist Däumling verlassen worden und schauerlich besiegt.
Der Menschenfresser schlachtet froh, sein Messer hängt ihm blutig
vom Schurz, er leckt die grausamen Lippen.
Aber es wird ein neuer Däumling aufstehen, um für Menschenwürde
zu kämpfen, und dann sind die Brüderchen vielleicht gescheiter und
lassen ihren Retter nicht im Stich.
LII
Schönheit muß geliebt werden, im tiefsten Herzen erfaßt sein, sonst
gibt es keine Kunst, kein Glück, keine Menschenwürde, keinen
sozialen Fortschritt; nichts als eitler Schein und Mummenschanz,
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Und war er nicht nur ein Kranker oder Trauriger, war er verbittert,
durch Häßlichkeiten böse geworden, kann ihm die demütige Ringel-
blume besser predigen, als der Kanzelmächtige, dem man schnell
entrinnt. Sie wohnt mit dem Unglücklichen, sie ist immer bereit,
ihm Freundliches und Ernstes zu sagen durch die Harmonie von
Farbe und Form, die ein Stück der mystischen Weltharmonie ist
kraft der Liebe des Schaffenden, der sie in das Gedicht der mensch-
lichen Sehnsucht geflochten hat.
Das ist ungefähr der Sinn, den Morris und seine Genossen in die
tägliche Verrichtung der Kunst legen wollten. Wie ein Gebet
sollte sie von nun an den Tag umschweben und die Müden auf-
richten.
Einst hat die Londoner Polizei Morris beanstandet, weil er frei-
mütig zu den Sozialisten hielt. Es wirkt leise komisch, daß der
feine Poet und Träumer roh beanstandet wird, aber sehr bezeich-
nend für die Lage des englischen Idealismus und die Lage des
Idealisten überhaupt.
Er ist der ritterliche Däumling, der sich und die Geschwister retten
will vor dem ungeheuren Menschenfresser.
Aber die Kinder, die der Menschenfresser für seine Mahlzeit mästet,
gewöhnen sich an ihre Lage. Das ist das Schlimmste, sie freuen
sich noch der guten Bissen, die ihnen gereicht werden. Bald be-
trachten sie es als Pflicht, vielleicht als Ehre, von dem Ungeheuer
gefressen zu werden, und halten selbst den Nacken hin.
Für diesmal ist Däumling verlassen worden und schauerlich besiegt.
Der Menschenfresser schlachtet froh, sein Messer hängt ihm blutig
vom Schurz, er leckt die grausamen Lippen.
Aber es wird ein neuer Däumling aufstehen, um für Menschenwürde
zu kämpfen, und dann sind die Brüderchen vielleicht gescheiter und
lassen ihren Retter nicht im Stich.
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Schönheit muß geliebt werden, im tiefsten Herzen erfaßt sein, sonst
gibt es keine Kunst, kein Glück, keine Menschenwürde, keinen
sozialen Fortschritt; nichts als eitler Schein und Mummenschanz,
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