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Nichts verknüpft so mit der Zukunft, aber nichts verknüpft auch
so fest mit unendlichen Vergangenheiten als das unsterblich
Schöne.
Je reicher und stärker unser Schönheitsempfinden wird, desto stolzer
können wir auf unsere Ahnen sein.
Die naivste und doch unfaßlichste, geheimnisvollste aller Künste,
die Musik, gibt am hellsten Zeugnis für diesen Zusammenhang.
Wenn ein verlorener Sohn, wenn ein unglücklicher Mischling fern
in der Fremde schweift, kann ihn nichts sicherer und zwingender
zurückführen in Heimatsgefilde als ein Heimatslied.
Alles, was seine eigenen Leute als Sehnsucht, als Schönheitsglauben,
Liebe und Hoffnung gekannt, sagt ihm das Lied. Es weckt sein
Blut. Er empfängt Kundschaft, wo für ihn die heiligste Erde ist.
Ohne Schönheit ist ein ideales Heimatsgefühl unmöglich, aus ihr
entwächst seine Innigkeit und sein Stolz.
Allein es gibt Schöpfer der Schönheit, die nicht nur die Helden-
kraft haben, den Geist der eigenen Rasse in Kunstschönheit sichtbar
und laut werden zu lassen. Es gibt solche, die den Geist der
Menschheit zusammenfassen in namenlosem Schmerz und namenloser
Liebe. Zu ihnen tritt die ganze Menschheit in ein mystisches Ver-
hältnis der Kindschaft.
Wird diese Kindschaft bewußt, so entsteht unter allen, denen sie
bewußt wird, eine mystische Brüdergemeinde, die durch alle, auch
die feindlichsten Zeiten hindurch das Ideal der Verbrüderung im
Herzen trägt, gekräftigt durch das große Erlebnis der Begeisterung.

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