Bewußtseins, beweisen auf seltsame herzbeklemmende Art die große
Menschheitssehnsucht nach Dramatisierung der eigenen Persönlichkeit,
nach schönen Gebärden, nach Rhythmus und Wohlklang.
Lombroso hatte Genie und Wahnsinn dahin erklärt, daß Genie wie
der Wahnsinn eine Degeneration darstelle. Aber aus seinen Be-
obachtungen läßt sich auch eine andere Auffassung folgern, nämlich
die, daß selbst in der pathologischen Verzerrung der Psyche und aus
der Zerlegung ihrer Elemente einer der wichtigsten Grundstoffe klar
zu erkennen bleibt: der zwingende Wille zur Schönheit. Irrsinnige,
die im normalen Zustand keinerlei künstlerischen Drang bekundet
hatten, zeigen manchmal Sehnsucht zu dichten, zu malen, zu ge-
stalten. Elementar drängt sich dieser Wunsch der Psyche hervor,
nachdem die anderen Grundstoffe sich zersetzt haben. Oft bleiben
auch künstlerische Fähigkeiten allein lebendig, wenn alle anderen
gelähmt sind.
Der ernsteste Einwurf, den die neue Zeit dem Schönheitsglauben
entgegenstellt, behauptet, die Schönheit sei nur eine Teilerschei-
nung in der Kunst wie in der Natur und wie im Leben, ja es
wäre unleidlich, wenn allgemeine Harmonie, gleichmäßige Voll-
kommenheit herrschte. Nicht ein Kunstschönes zu erreichen sei die
Hauptsache bei der Kunst, sondern ihr Wesentliches sei der dio-
nysische Drang nach Zeugung auf jedem Gebiet, das Walten des
Unterbewußtseins, die Lebenskraft. Ewig neu muß der Mensch
sinnen und schaffen, ohne die engen Grenzen eines fertigen schab-
lonenhaften Schönheits- oder Stil-Ideals.
Nicht dem Bedürfnis nach Schmuck und Freude soll seine Kunst
dienen, sondern sie ist dazu da, daß der Mensch ausdrückt, was
er leidet — im weitesten Sinn des Erleidens überhaupt, des Er-
lebens.
Aber wollen wir nicht das, was wir erleben und erleiden, der
Schönheit hinaufreichen? Denn der Drang des Menschen wie der
ganzen Natur geht dahin, aus dem Chaos Harmonie zu gewinnen.
Die geheimnisvolle Wallung, die dem Zeugen vorhergeht, ist nicht
nur in der Liebe der Schönheit zugewandt, sondern jede Schöpfer-
macht will in ihrem eigenen Sinn irgend etwas höchst Bewu nderns-
und Liebenswertes erschaffen.
259
Menschheitssehnsucht nach Dramatisierung der eigenen Persönlichkeit,
nach schönen Gebärden, nach Rhythmus und Wohlklang.
Lombroso hatte Genie und Wahnsinn dahin erklärt, daß Genie wie
der Wahnsinn eine Degeneration darstelle. Aber aus seinen Be-
obachtungen läßt sich auch eine andere Auffassung folgern, nämlich
die, daß selbst in der pathologischen Verzerrung der Psyche und aus
der Zerlegung ihrer Elemente einer der wichtigsten Grundstoffe klar
zu erkennen bleibt: der zwingende Wille zur Schönheit. Irrsinnige,
die im normalen Zustand keinerlei künstlerischen Drang bekundet
hatten, zeigen manchmal Sehnsucht zu dichten, zu malen, zu ge-
stalten. Elementar drängt sich dieser Wunsch der Psyche hervor,
nachdem die anderen Grundstoffe sich zersetzt haben. Oft bleiben
auch künstlerische Fähigkeiten allein lebendig, wenn alle anderen
gelähmt sind.
Der ernsteste Einwurf, den die neue Zeit dem Schönheitsglauben
entgegenstellt, behauptet, die Schönheit sei nur eine Teilerschei-
nung in der Kunst wie in der Natur und wie im Leben, ja es
wäre unleidlich, wenn allgemeine Harmonie, gleichmäßige Voll-
kommenheit herrschte. Nicht ein Kunstschönes zu erreichen sei die
Hauptsache bei der Kunst, sondern ihr Wesentliches sei der dio-
nysische Drang nach Zeugung auf jedem Gebiet, das Walten des
Unterbewußtseins, die Lebenskraft. Ewig neu muß der Mensch
sinnen und schaffen, ohne die engen Grenzen eines fertigen schab-
lonenhaften Schönheits- oder Stil-Ideals.
Nicht dem Bedürfnis nach Schmuck und Freude soll seine Kunst
dienen, sondern sie ist dazu da, daß der Mensch ausdrückt, was
er leidet — im weitesten Sinn des Erleidens überhaupt, des Er-
lebens.
Aber wollen wir nicht das, was wir erleben und erleiden, der
Schönheit hinaufreichen? Denn der Drang des Menschen wie der
ganzen Natur geht dahin, aus dem Chaos Harmonie zu gewinnen.
Die geheimnisvolle Wallung, die dem Zeugen vorhergeht, ist nicht
nur in der Liebe der Schönheit zugewandt, sondern jede Schöpfer-
macht will in ihrem eigenen Sinn irgend etwas höchst Bewu nderns-
und Liebenswertes erschaffen.
259