Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
DER KAMPF MIT DEM WESTEN

19

fertige Bausteine zu einem neuen Ge-
bäude verwendet, unbekümmert darum,
ob ihre Form dem neuen Formwillen
entspricht.
Höchst bezeichnend sind da Minia-
turen, mit welchen dieWerke geschmückt
sind, in denen dieTeile des antikenWelt-
bildes mit dem neuen Aufbau meso-
potamisch-iranischer Ideen in Einklang
zu bringen versucht werden, wie Welt-
chroniken, Kosmographien, Tier- und
Pflanzenbücher großstädtischer Gelehr-
samkeit. Da erscheint die Welt nicht
in der sphärischen Gestalt des organisch
aufgebauten antiken Kosmos, sondern


Abb. 3. Kosmas-Kodex (Vat. gr. 699)
David und die Sängerchöre
9. Jahrh. nach Original des 6. Jahrh.

nach uralten orientalischen Vorstellungen in bestimmte Zonen geteilt, in welche
die Erscheinungen im Sinne einer Kasteneinteilung unabänderlich eingeordnet
sind. Wie die christlichen Ideen gegenständlich in die alten astrologischen
Vorstellungen der Weltzonen oder des Tierkreises eingekleidet werden, so
erscheinen nun die vom Christentum übernommenen antiken Bildgestalten
in überorgnische Streifen- oder Kreisanordnungen gebannt (Abb. 3), und
diese jede sinnlich räumliche Zusammenfassung vermeidenden Kompositionen
werden auch auf Gegenstände übertragen, die an sich nicht gerade kosmolo-
gischen Charakter aufweisen. Dabei sind in den früheren Bildern dieser Art
die einzelnen Gestalten als für sich bestehende Elemente im Sinne des antiken
Westens räumlich plastisch ausgewertet, sind als einzelne fertige Teile eines
verlorenen Zusammenhanges in die neue Ordnung eingesetzt, wie etwa in der
gleichzeitigen Architektur antike Säulen und Kapitelle als Elemente einer neuen
Baueinheit verwendet wurden. So in Abb. 3, wo David mit Salomo von den
Sängerchören umgeben erscheint. Wie aus ihrem räumlichen Zusammenhang
herausgeschnitten erscheint die Mittelgruppe, die einzelnen Sängerchöre aber wie
Räder in die Fläche projiziert, die Tänzerinnen unten statt vorne angeordnet.
Das mag „naiv" und „primitiv" erscheinen für den, der die individuelleZufälligkeit
eines Standpunktes, von dem aus der optische Schein eines Raumbildes abgelesen
werden kann, höher schätzt als die überindividuelle Gesetzmäßigkeit, nach der
 
Annotationen