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BILDERSTURM, ISLAM UND ARMENIEN
die Trauben zwar körperhaft aber wie trigonometrische Gebilde aufgesetzt sind
(vgl. Tafel 60). Und auch da mischt sich im Türsturz das nordische Bandgeflecht
gleichwertig mit ein. Dort, in der Lombardei, traf sich der Osten mit dem Norden,
beide wesensverwandt in zwei Punkten: im Ornament und im Symbol, das ja
gerade in den von den Nordvölkern überfluteten Adrialändern besondere Geltung
erlangte, um sich dann weiterhin in der romanischen Monumentalkunst auszu-
wirken.
Wie an solchen Denkmälern Nord- und Ostgeist kaum zu trennen sind, so
gilt ähnliches für Armenien, das in manchem eine merkwürdige Parallelität mit
der abendländischen mittelalterlichen Entwicklung aufweist. Wie im Bildschmuck
romanischer Kathedralen, so finden wir auch hier noch die naive altchristliche
Bildsymbolik wie die Jonasbilder, Daniel in der Löwengrube usw. eingestreut
zwischen die Fabeltiere aus altorientalischer Überlieferung, alles — trotz ver-
schiedenartiger Vorbilder — in demselben unplastischen, die Einzelheiten orna-
mental umwertenden zweiflächigen Stil, in dem auch das Ornament gehalten
ist. Dieses kommt besonders an Gesimsen, Tür- und Fensterrahmungen zur Ver-
wendung, seinen größten Reichtum entfaltet es aber an Grabsteinen (s. u.) und
hölzernen Türflügeln (Tafel 58). Meist sind es auch hier ineinandergeflochtene
Bänder und Kreismotive mit Palmettenfüllung, die die Muster abgeben, seltener
die in erstarrtem Schema wiedergegebenen Rankenbildungen der westlichen
Antike. Hier, in der Exaktheit der Windungen, der Sicherheit in der Flächen-
verteilung und dem trotz Beschränkung in den Einzelmotiven großen Erfindungs-
und Variationsreichtum des Ornaments kommt der Osten in der ganzen Stärke
seines abstrakten Gestaltens zur Geltung.
Dieser Zug zum Ornamentalen wurde noch verstärkt, als mit dem zweiten
Jahrtausend der Vorstoß der Türken nach Armenien und die Gründung des
seldschukischen Reiches in Kleinasien die Isolierung der östlichen Hochburgen
des Christentums vom byzantinischen Westen mit sich brachte. Und so sehen
wir denn die in die großen Felstäler zurückgezogene Klosterkunst sich unter
Beibehaltung ihrer künstlerischen Grundtypen zu einem ungeahnten ornamen-
talen Reichtum entfalten. Einerseits wurde die durch die Türken vermittelte
Überfülle des freibewegten persischen Gerankes und Flechtwerks in die strenge
Ordnung geometrischer Aufteilung und die gleichartige Reihung einzelner Fül-
lungsfelder gebannt. Sie fand vor allem im Schmude der Grabsteine (Tafel 62)
und Kirchenportale (Tafeln 62, 63) ein reiches Ausleben. Wir sehen aber auch in
BILDERSTURM, ISLAM UND ARMENIEN
die Trauben zwar körperhaft aber wie trigonometrische Gebilde aufgesetzt sind
(vgl. Tafel 60). Und auch da mischt sich im Türsturz das nordische Bandgeflecht
gleichwertig mit ein. Dort, in der Lombardei, traf sich der Osten mit dem Norden,
beide wesensverwandt in zwei Punkten: im Ornament und im Symbol, das ja
gerade in den von den Nordvölkern überfluteten Adrialändern besondere Geltung
erlangte, um sich dann weiterhin in der romanischen Monumentalkunst auszu-
wirken.
Wie an solchen Denkmälern Nord- und Ostgeist kaum zu trennen sind, so
gilt ähnliches für Armenien, das in manchem eine merkwürdige Parallelität mit
der abendländischen mittelalterlichen Entwicklung aufweist. Wie im Bildschmuck
romanischer Kathedralen, so finden wir auch hier noch die naive altchristliche
Bildsymbolik wie die Jonasbilder, Daniel in der Löwengrube usw. eingestreut
zwischen die Fabeltiere aus altorientalischer Überlieferung, alles — trotz ver-
schiedenartiger Vorbilder — in demselben unplastischen, die Einzelheiten orna-
mental umwertenden zweiflächigen Stil, in dem auch das Ornament gehalten
ist. Dieses kommt besonders an Gesimsen, Tür- und Fensterrahmungen zur Ver-
wendung, seinen größten Reichtum entfaltet es aber an Grabsteinen (s. u.) und
hölzernen Türflügeln (Tafel 58). Meist sind es auch hier ineinandergeflochtene
Bänder und Kreismotive mit Palmettenfüllung, die die Muster abgeben, seltener
die in erstarrtem Schema wiedergegebenen Rankenbildungen der westlichen
Antike. Hier, in der Exaktheit der Windungen, der Sicherheit in der Flächen-
verteilung und dem trotz Beschränkung in den Einzelmotiven großen Erfindungs-
und Variationsreichtum des Ornaments kommt der Osten in der ganzen Stärke
seines abstrakten Gestaltens zur Geltung.
Dieser Zug zum Ornamentalen wurde noch verstärkt, als mit dem zweiten
Jahrtausend der Vorstoß der Türken nach Armenien und die Gründung des
seldschukischen Reiches in Kleinasien die Isolierung der östlichen Hochburgen
des Christentums vom byzantinischen Westen mit sich brachte. Und so sehen
wir denn die in die großen Felstäler zurückgezogene Klosterkunst sich unter
Beibehaltung ihrer künstlerischen Grundtypen zu einem ungeahnten ornamen-
talen Reichtum entfalten. Einerseits wurde die durch die Türken vermittelte
Überfülle des freibewegten persischen Gerankes und Flechtwerks in die strenge
Ordnung geometrischer Aufteilung und die gleichartige Reihung einzelner Fül-
lungsfelder gebannt. Sie fand vor allem im Schmude der Grabsteine (Tafel 62)
und Kirchenportale (Tafeln 62, 63) ein reiches Ausleben. Wir sehen aber auch in