Deutung
rische Episoden heraus. Es bleibt nicht bei den angegebenen Abzweigungen, die
Pastorellen, die an die Astr£e anknüpfen, zählen zu Dutzenden.
Die vorliegenden Ausführungen geben zunächst lediglich eine allgemeine Übersicht.
Die unter dem Sammelnamen «Schäferteppiche" fast in jeder größeren Sammlung vor-
kommenden Behänge dem dargestellten Stoffe entsprechend einzureihen, erfordert eine
selbständige, umfangreiche Abhandlung, die zweifelsohne des Reizes nicht entbehrt.
Zur Eingruppierung gehört letzten Endes, entsprechend den Wandteppichen der vor-
aufgegangenen Zeitabschnitte, nichts weiter wie eine ausreichende Kenntnis der ein-
schlägigen, zeitgenössischen Literatur. Eine Schwierigkeit ist allerdings zu überwinden.
Der Bildteppichwirker und Händler besitzt nicht selten nur ein mangelhaftes Wissen
über die Darstellung der von ihm vertriebenen Folgen. Für ihn ist im wesentlichen
nur der Gesichtspunkt maßgebend — die künstlerische Durchführung des Entwurfes
bleibt bei der vorliegenden Frage unberührt — Serien in den Handel zu bringen, die
sich bei dem vornehmen, kaufenden Publikum besonderer Beliebtheit erfreuen. Der
Name eines berühmten Romans, der nicht selten in den merkwürdigsten Verballhor-
nungen erscheint, genügt. Der Käufer besichtigt die Kartons, der' Wirker oder Händler
stellt die Folge nach W unsch zusammen. Es werden Veränderungen vorgenommen,
die sich den Raumverhältnissen anpassen. Bei Verkürzungen einzelner Stücke entsteht
zumeist noch keine Unklarheit; schwieriger wird die Sache, wenn Verlängerungen
sich als erforderlich erweisen, bzw. wenn zwei Teppiche zu einem Behänge zusammen-
gefaßt werden müssen. Ergänzungen aus verwandten Serien gehören nicht zu den
Seltenheiten. Die Geschichte des Narcissus wird mit der Dianenfolge, Teppiche des
Pastor Fido mit der Amintapastorelle oder der Aströe verquickt.
Die Serien aus der Geschichte der Astr6e wechseln in der Zahl der Behänge nicht
unerheblich. 1643 liefert der Aubussoner Wirker Pierre Danty eine Reihe von zehn
Teppichen. Die Felletin-Meister Antoine de la Roche und Gabriel Tissier fertigen 1630
die noch teilweise an der alten Stelle, auf Schloß Sarlet, erhaltene Folge (sieben Tep-
piche), die recht ansehnliche Dimensionen besitzt — eine Wirkerei mißt in der Länge
rund 6 m. Das Schloßinventar des Cars (1758) erwähnt eine flämische Astree-Reihe,
die aus sechs Behängen besteht (253). Beauvais geht nicht über drei bis sechs Tep-
piche hinaus; die flämischen Serien wechseln zwischen sechs und zwölf Behängen.
Die Namen der handelnden Personen der Pastorellen klingen oft ähnlich und geben
zu Verwechslungen Anlaß. In Tassos Aminta z. B. treten die Schäferinnen Daphne
und Sylvia, die Schäfer Aminta und Thyrsis, sowie als Nebenfiguren Nerina, Ergast
und Elpin auf. Die Benennungen kehren zum Teil im Pastor fido und in der Astree
wieder.
Die nach zeitgenössischen Dichtungen und Romanen entstandenen Folgen sind streng
zu trennen von den zahlreichen Serien, die auf Ovids Metamorphosen und sonstige
lateinische und griechische Dichtungen unmittelbar zurückgehen, auf die Geschichte
von Pyramus und Thisbe, die Fabel der Psyche und des Narcissus, die Meleagersage,
die Liebschaften der Götter und andere mehr.
Der zweite große Zeitroman, der «Artamene, ou le grand Cyrus" (1649—58,10 Bände)
des Fräulein von Scudery, wird mit nicht geringerer Vorliebe wie d'Urfös Astr6e ganz
oder in Teilabschnitten in Teppichfolgen verewigt. Mit der historischen Wahrheit
nimmt es das Werk nicht sonderlich genau. Der Roman schildert einen Idealhelden
mit romantisch antikem Einschlag.
Der Perserkönig Cyrus, der Enkel des Astyages ist, ein eleganter, in allen Künsten
wohl erfahrener „ grandsei gneur", der mit prächtigem Federhelm und parfümierten
Handschuhen einher stolziert. Er führt in seiner Jugend den Namen Artamene, um
den Nachstellungen seines Großvaters zu entgehen, den der übliche Orakelspruch
kopfscheu gemacht hat. Cyrus-Artamene mengt sich in Sinope unter die Menge, die
den Tempel des Mars umringt; er erblickt inmitten des königlichen Gefolges die holde
Mandane, die Tochter des kappadozischen Fürsten Cyaxares. Der junge Held ent-
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rische Episoden heraus. Es bleibt nicht bei den angegebenen Abzweigungen, die
Pastorellen, die an die Astr£e anknüpfen, zählen zu Dutzenden.
Die vorliegenden Ausführungen geben zunächst lediglich eine allgemeine Übersicht.
Die unter dem Sammelnamen «Schäferteppiche" fast in jeder größeren Sammlung vor-
kommenden Behänge dem dargestellten Stoffe entsprechend einzureihen, erfordert eine
selbständige, umfangreiche Abhandlung, die zweifelsohne des Reizes nicht entbehrt.
Zur Eingruppierung gehört letzten Endes, entsprechend den Wandteppichen der vor-
aufgegangenen Zeitabschnitte, nichts weiter wie eine ausreichende Kenntnis der ein-
schlägigen, zeitgenössischen Literatur. Eine Schwierigkeit ist allerdings zu überwinden.
Der Bildteppichwirker und Händler besitzt nicht selten nur ein mangelhaftes Wissen
über die Darstellung der von ihm vertriebenen Folgen. Für ihn ist im wesentlichen
nur der Gesichtspunkt maßgebend — die künstlerische Durchführung des Entwurfes
bleibt bei der vorliegenden Frage unberührt — Serien in den Handel zu bringen, die
sich bei dem vornehmen, kaufenden Publikum besonderer Beliebtheit erfreuen. Der
Name eines berühmten Romans, der nicht selten in den merkwürdigsten Verballhor-
nungen erscheint, genügt. Der Käufer besichtigt die Kartons, der' Wirker oder Händler
stellt die Folge nach W unsch zusammen. Es werden Veränderungen vorgenommen,
die sich den Raumverhältnissen anpassen. Bei Verkürzungen einzelner Stücke entsteht
zumeist noch keine Unklarheit; schwieriger wird die Sache, wenn Verlängerungen
sich als erforderlich erweisen, bzw. wenn zwei Teppiche zu einem Behänge zusammen-
gefaßt werden müssen. Ergänzungen aus verwandten Serien gehören nicht zu den
Seltenheiten. Die Geschichte des Narcissus wird mit der Dianenfolge, Teppiche des
Pastor Fido mit der Amintapastorelle oder der Aströe verquickt.
Die Serien aus der Geschichte der Astr6e wechseln in der Zahl der Behänge nicht
unerheblich. 1643 liefert der Aubussoner Wirker Pierre Danty eine Reihe von zehn
Teppichen. Die Felletin-Meister Antoine de la Roche und Gabriel Tissier fertigen 1630
die noch teilweise an der alten Stelle, auf Schloß Sarlet, erhaltene Folge (sieben Tep-
piche), die recht ansehnliche Dimensionen besitzt — eine Wirkerei mißt in der Länge
rund 6 m. Das Schloßinventar des Cars (1758) erwähnt eine flämische Astree-Reihe,
die aus sechs Behängen besteht (253). Beauvais geht nicht über drei bis sechs Tep-
piche hinaus; die flämischen Serien wechseln zwischen sechs und zwölf Behängen.
Die Namen der handelnden Personen der Pastorellen klingen oft ähnlich und geben
zu Verwechslungen Anlaß. In Tassos Aminta z. B. treten die Schäferinnen Daphne
und Sylvia, die Schäfer Aminta und Thyrsis, sowie als Nebenfiguren Nerina, Ergast
und Elpin auf. Die Benennungen kehren zum Teil im Pastor fido und in der Astree
wieder.
Die nach zeitgenössischen Dichtungen und Romanen entstandenen Folgen sind streng
zu trennen von den zahlreichen Serien, die auf Ovids Metamorphosen und sonstige
lateinische und griechische Dichtungen unmittelbar zurückgehen, auf die Geschichte
von Pyramus und Thisbe, die Fabel der Psyche und des Narcissus, die Meleagersage,
die Liebschaften der Götter und andere mehr.
Der zweite große Zeitroman, der «Artamene, ou le grand Cyrus" (1649—58,10 Bände)
des Fräulein von Scudery, wird mit nicht geringerer Vorliebe wie d'Urfös Astr6e ganz
oder in Teilabschnitten in Teppichfolgen verewigt. Mit der historischen Wahrheit
nimmt es das Werk nicht sonderlich genau. Der Roman schildert einen Idealhelden
mit romantisch antikem Einschlag.
Der Perserkönig Cyrus, der Enkel des Astyages ist, ein eleganter, in allen Künsten
wohl erfahrener „ grandsei gneur", der mit prächtigem Federhelm und parfümierten
Handschuhen einher stolziert. Er führt in seiner Jugend den Namen Artamene, um
den Nachstellungen seines Großvaters zu entgehen, den der übliche Orakelspruch
kopfscheu gemacht hat. Cyrus-Artamene mengt sich in Sinope unter die Menge, die
den Tempel des Mars umringt; er erblickt inmitten des königlichen Gefolges die holde
Mandane, die Tochter des kappadozischen Fürsten Cyaxares. Der junge Held ent-
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