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Deutung

brennt in Liebe; er verrichtet Heldentaten für die Schöne und rettet ihrem Vater das
Leben. Cyaxares entsendet ihn mit einem Schreiben — die Anschrift lautet: „Cyaxare,
roi de Cappadoce et de Galatie ä la princesse Mandane, sa fille" — zu seiner Tochter
nach Ancyre.

Die Ausführung der Botschaft wird unmöglich; Mandane ist inzwischen geraubt.
Wutschnaubend zieht Cyrus auf Rache aus. Dem Missetäter, dem Könige von Assyrien,
wird die Holde durch Mazare, den „Prince des Saces" entführt, den wiederum der
König von Pontus überlistet. Schließlich flieht der letzte Räuber mit seiner lieblichen
Beute zu Crösus, dem Herrscher von Lydien. Cyrus vernichtet das Reich des allzu
gastlichen Fürsten. Der Zauberring des Gyges entzieht den schuldigen König von
Pontus den Blicken des Rächers. Um den Knoten noch mehr zn verwirren, fällt Man-
dane in die Hände des Aryante, des Bruders der Königin Thomyris, die wiederum
hoffnungslos für den Perserhelden Cyrus entflammt ist. Sie sucht ihre Rivalin Man-
dane tötlich zu treffen; ein in ein blutgefülltes Becken versenktes Haupt — angeblich
das des Cyrus — soll den Tod des treuen Liebhabers vorspiegeln. Zum Unglück
wird ausgerechnet jetzt der echte Cyrus gefangen genommen; Thomyris will die
beiden Liebenden — Cyrus und Mandane — erdolchen lassen. Der junge Held ent-
waffnet den Hüter seines Gefängnisses und richtet ein fürchterliches Blutbad unter den
Massageten an. Thomyris entflieht schreckerfüllt; Cyrus zieht in Ekbatana ein. Mit
riesigem Pompe wird die Hochzeit des Helden mit der schönen Mandane gefeiert. Der
Orakelspruch hat seine Erfüllung gefunden, Cyrus vereint alle Gebiete der Monarchie
unter seinem Szepter.

Der Roman ist, ähnlich dem Amadis, eine ausgesprochene Tendenzschrift, die unter
den Gesichtspunkten „gloire" und „vertu" Propaganda für das französische Herrscher-
ideal eines Ludwigs XIV. betreibt. Der Leitsatz der Astr£e d'Urfes „L'amour rend tout
permis" — alles ist der Liebe erlaubt — ist nicht ungeschickt mit dem Zeitempfinden
verflochten. In der Clelia (1654) verfährt Madeleine de Scudery nach dem gleichen
Rezepte. Die Uberlieferung wird nach Belieben verdreht. Die geistreiche Dame treibt
die Idee der Astree, die ein Liebesland Forez mit Schlössern und Landsitzen erfindet,
auf die Spitze. Die „Carte de Tendre" bringt einen genauen geographischen Abriß.
Der Strom „Zuneigung" durchfließt das Reich. „Liebe aus Neigung" ist die Haupt-
stadt; am Flusse „Dankbarkeit" erhebt sich die Burg „Liebe aus Dankbarkeit". Die
übrigen Orte führen ähnliche sinnige Namen „Gehorsam, Zärtlichkeit, Gefühl, Häufige
Besuche, Kleine Aufmerksamkeiten, Galante Briefchen, Hübsche Verschen" usw. Am
Strome „Hochachtung" liegt die Stadt „Liebe aus Achtung"; es fehlen aber auch nicht
die Ortschaften „Vergessen, Leichtfertigkeit, Lauheit, Vernachlässigung, Hochmut, Üble
Nachrede und Bosheit". Auf dem Meere der Feindschaft zerschellt das Schiff der
Liebe; in unwirtlicher Öde dehnt sich der See der „Gleichgültigkeit". Der geogra-
phische Maßstab — unten rechts in dem Kartenbilde — mißt das Land der Liebe mit
den „Lieues d'amitie". Die „Carte de Tendre" wird mit Begeisterung sowohl in Frank-
reich wie in den Niederlanden aufgenommen. Schon die „Batavische Arcadia" (1637)
des Johann Van Heemskerk arbeitet nach ähnlichem Prinzipe. Das Liebesland liegt
diesmal zwischen Haag und Katwijk. Eine amoureuse Gesellschaft unternimmt die
Reise; der Zweck des Buches ist, wie der Verfasser selbst angibt, „unter der Süßig-
keit der Minnegespräche, spielend zur Kenntnis unserer vaterländischen Zustände zu
kommen, in denen Niemand ein Fremdling sein sollte." Der Holländer faßt die Sache
prosaischer auf und verbindet das Angenehme mit dem Nützlichen. Es ist kein Zu-
fall, daß beide Autoren auf das Kartenschema verfallen. Der Aufschwung der exakten
Wissenschaften, insbesondere der Geographie, macht die Vorliebe für reich illustrierte
Kartenblätter — es fehlt nicht an vorzüglichen allegorischen Darstellungen, die das
Einerlei der Linien angenehm würzen — unschwer verständlich. Wandteppiche, die
Landkarten wiedergeben, entstehen nicht selten in flämischen und englischen Manu-
fakturen (254). Die holländischen Ateliers bringen selbst Belagerungsszenen an Hand
des geographischen Abrisses (Abb. 490).

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