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Grafschaft Holland.

Amsterdam. Schoonhoven.

Amsterdam ist bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts der Hauptstapelplatz für Getreide
and Salzfische. Sowohl die Fürsten aus dem Hause Burgund als auch die Generalstatt-
halterinnen Karls V., Margarete von Österreich und Maria von Ungarn, fördern mit
weitsichtigem Entgegenkommen die aufblühende Metropole der Seeprovinzen. Ähnlich
wie in Antwerpen errichten die führenden Geldinstitute Niederlagen, die Schiffahrt
nimmt einen ungeahnten Aufschwung. Die kapitalistische Erstarkung Hollands bringt als
Folgeerscheinung die Aufschließung des fruchtbaren Hinterlandes; Eindeichungs- und
Trockenlegungsarbeiten schaffen neue Gebiete.

Die Handelshäuser der Stadt stehen in geschäftlichen Verbindungen mit den großen
Häfen des Mittelmeeres und den führenden Zentren des Baltikums. Es entwickelt sich
ein stetiger, gesicherter Reichtum, der nicht wie in Antwerpen lediglich von der Geld-
bewegung, den Großbanken und den damit verbundenen Begleiterscheinungen abhängig
ist. Bereits um 1550 setzt in Antwerpen die Krise ein. Das geschäftliche Leben der
Scheidestadt, so prunkvoll es nach außen hin in die Erscheinung tritt, reagiert aufs
lebhafteste auf die geringsten politischen und wirtschaftlichen Schwankungen (1). Der
Kredit der Großbanken ist stark überspannt; gewagte Spekulationen sind an der Tages-
ordnung, die Gier nach raschem und mühelosem Erwerb äußert sich in fast modernen
Formen.

Der spanische Staatsbankrott vom Jahre 1557 versetzt Antwerpen einen schweren
Stoß. Die religiösen Unruhen, die zu neuen Kämpfen führen und die Spaltung der
Niederlande als unabwendbare Folge zeitigen, berauben die alte Handelsmetropole der
wirtschaftlichen Vorortsstellung.

Im Juni 1584 ist die Lage der aufständischen Provinzen derart kritisch, daß die
Generalstände und der Prinz von Oranien es vorziehen, Antwerpen zu verlassen, um
in Holland die weitere Entwicklung abzuwarten. Drei Monate später beginnt die
Einschließung der Stadt; am 10. März 1585 setzen die Verhandlungen ein. Den einzigen
Vorteil, den Antwerpen in dem Übergabe vertrage vom 17. August gegenüber den
anderen niedergeworfenen Städten Flanderns und Brabants erreicht, ist die vierjährige
Entscheidungsfrist der protestantischen Einwohnerschaft. Die Stadt verliert einen großen
Teil ihrer kaufmännischen und werktätigen Bevölkerung. Als 1609 der zwölfjährige
Waffenstillstand zwischen Spanien und der niederländischen Republik zum Abschlüsse
gelangt, ist die Bedeutung Antwerpens als Handelszentrale des Nordens erloschen. Von
den zahlreichen ausländischen Häusern finden wir nur noch zwei genuesische und
einen luccesischen Unternehmer; die wenigen portugiesischen und englischen Banken
siedeln im Laufe der folgenden Jahre gleichfalls nach Amsterdam über. Die altberühmte
Antwerpener Börse ist verödet, die Bibliothek wird Wirkereibetrieben zum Aufstellen
ihrer Stühle eingeräumt. Flandern und Brabant bieten nach der Wiedereroberung
durch den Herzog von Parma ein Bild der Verheerung und des wirtschaftlichen Tief-
standes; die Seeprovinzen das des aufblühenden, durch die Seebeherrschung gesicherten
Reichtums.

~)4 Göbel, Wandteppiche.

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