Deutung
der Pastorale aufs peinlichste geregelt; der Wandteppich arbeitet nach dem gleichen
Prinzip.
Eine Hauptrolle spielen die Verzauberungen. Am 12. Februar 1619 wird im großen
Saale des Louvre zu Ehren des Prinzen von Piemont das Ballet «La Table de la foret
enchantee'* nach der Tassoschen Version gegeben. Der Zauberer erscheint „affreux en
son aspect, la teste en feu, une liure ä la main gauche et une verge ä la droicte. Vetu
d'une sottane de satin noir ayant par dessus une robbe courte de mesme etoffe avec
lambrequins au bout des manches, le tout chamarre de passements d'or. Et ä la teste
une toque en forme de chapperon avec une queue . . .M
Der Mercure francois, der diese anschauliche Schilderung bringt, weiß genau, was
seinen Leserkreis fesselt.
Ein Teppich der Gobelinfolge der Fragments d'Opera — signiert Cozette 1766 —,
der in der Auktion Seligmann im März 1914 zur Versteigerung gelangte, illustriert
prächtig eine derartige Verzauberungsszene. Die Episode ist dem fünften Akte von
Quinaults Armide entlehnt. Die Zauberin läßt den Palast, den ihr Geliebter Renaud
verlassen, durch Genien zerstören. Geborsten liegt im Vordergrunde eine mächtige
Säulentrommel; die Kartouche mit den Initialen der einst Glücklichen (Renaud-
Armide) weist den Beschauer sinnig-ernst auf die Vergänglichkeit der Liebe.
In engster Verbindung mit dem Schäferspiel steht der Pastorellenroman, der mit
seinen schier endlosen Verwickelungen dem Patronenmaler Stoff in Hülle und Fülle
bietet. 1610 erscheint die Astr6e des Honore d'Urfe, ein Moderoman, der länger wie
ein Jahrhundert die Gemüter aller Gesellschaftsklassen in Bande schlägt.
Der Einfluß spanischer Hirtendichtungen ist unverkennbar. Die Diana des Georg
de Montemayor, die bereits 1542 erschien, legt die Grundlage zu dem neuen Schäfer-
romane. Das Opus wird mehrfach — allerdings erst im 17. Jahrhundert — für Wand-
teppiche verwertet. Der Inhalt der rührsamen Geschichte, die im alten Königreiche
Leon, am Ufer der Esla spielt, ist mit wenigen Worten erzählt, Diana heiratet in
Abwesenheit ihres Liebhabers Syrene den ungeliebten Delio. Der Galan kommt zurück,
die Klage um die verlorene Liebste will kein Ende nehmen. Felicia, die in allen
Zauberkünsten bewanderte Priesterin Dianens, sucht den Knoten zu lösen. Recht-
zeitig stirbt der Gatte, nachdem zuvor ein wahres Spektakulum von Geistern und
Riesen an dem geduldigen Leser vorübergezogen ist. Alles löst sich zum Schluß in
Wohlgefallen auf. Auf die Diana folgt (1584) als zweiter spanischer Import die Ga-
lathea des Cervantes, die gleichfalls unzählige Auflagen erlebt, «GalateV* findet sich
schon seltener in Teppichinventaren. 1581 schreibt Tasso seinen Aminta, 1585 Guarini
seinen Pastor fido, 1588 erblickt die französische Pastorale „Bergeries de Juliette des
Olenix du Montsacre" das Licht. 1610 werden die beiden ersten Teile der Astr6e, die
immerhin mehr als 2000 Seiten zählen, mit Begeisterung begrüßt; 1619 erscheint der
dritte Teil; zwei Jahre nach dem Tode d'Urfös schreibt sein Sekretär den Schluß.
Das Opus zählt insgesamt fünf Bände; die Episoden sind überaus zahlreich. Die
Astree ist in flämischen, französischen und italienischen Wirkereien nachweisbar. Noch
1763 legt die Manufaktur Beauvais eine uHistoire d'AstreV* nach den Kartons von
Deshays auf das Gezeug(251). 1771 sind drei Stücke der Folge — Astr6e im Schlummer,
Celadon wird aus den Fluten gezogen und die Liebesquelle — auf Lager. 1773/4 wird
eine Teilfolge mit der zugehörigen Möbelgarnitur für den Minister Bertin in Auftrag
genommen.
Der Gang der Handlung vollzieht sich nach dem bekannten Schema (252).
Die Inhaltsangabe des Anhanges zeigt, wenn auch in gedrängter Kürze, die Ab-
hängigkeit der Dichtung d'Urfes von dem Tassoschen Schäferspiel Aminta und dem
Moderoman des 16. Jahrhunderts, dem Amadis. Der Stoff ist überaus bilderreich und
zu Wandteppichfolgen in hervorragendem Maße geeignet. Die gesamte Fabel zu ver-
werten, ist ausgeschlossen. Wie die Literatur den Roman in Einzelkapitel auflöst und
selbständig behandelt — Diane und Sylvandre; Historie des Hylas, Galatee und Lin-
damor, Geschichte Dorindens —, so greift der Wandteppich einzelne besonders male-
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der Pastorale aufs peinlichste geregelt; der Wandteppich arbeitet nach dem gleichen
Prinzip.
Eine Hauptrolle spielen die Verzauberungen. Am 12. Februar 1619 wird im großen
Saale des Louvre zu Ehren des Prinzen von Piemont das Ballet «La Table de la foret
enchantee'* nach der Tassoschen Version gegeben. Der Zauberer erscheint „affreux en
son aspect, la teste en feu, une liure ä la main gauche et une verge ä la droicte. Vetu
d'une sottane de satin noir ayant par dessus une robbe courte de mesme etoffe avec
lambrequins au bout des manches, le tout chamarre de passements d'or. Et ä la teste
une toque en forme de chapperon avec une queue . . .M
Der Mercure francois, der diese anschauliche Schilderung bringt, weiß genau, was
seinen Leserkreis fesselt.
Ein Teppich der Gobelinfolge der Fragments d'Opera — signiert Cozette 1766 —,
der in der Auktion Seligmann im März 1914 zur Versteigerung gelangte, illustriert
prächtig eine derartige Verzauberungsszene. Die Episode ist dem fünften Akte von
Quinaults Armide entlehnt. Die Zauberin läßt den Palast, den ihr Geliebter Renaud
verlassen, durch Genien zerstören. Geborsten liegt im Vordergrunde eine mächtige
Säulentrommel; die Kartouche mit den Initialen der einst Glücklichen (Renaud-
Armide) weist den Beschauer sinnig-ernst auf die Vergänglichkeit der Liebe.
In engster Verbindung mit dem Schäferspiel steht der Pastorellenroman, der mit
seinen schier endlosen Verwickelungen dem Patronenmaler Stoff in Hülle und Fülle
bietet. 1610 erscheint die Astr6e des Honore d'Urfe, ein Moderoman, der länger wie
ein Jahrhundert die Gemüter aller Gesellschaftsklassen in Bande schlägt.
Der Einfluß spanischer Hirtendichtungen ist unverkennbar. Die Diana des Georg
de Montemayor, die bereits 1542 erschien, legt die Grundlage zu dem neuen Schäfer-
romane. Das Opus wird mehrfach — allerdings erst im 17. Jahrhundert — für Wand-
teppiche verwertet. Der Inhalt der rührsamen Geschichte, die im alten Königreiche
Leon, am Ufer der Esla spielt, ist mit wenigen Worten erzählt, Diana heiratet in
Abwesenheit ihres Liebhabers Syrene den ungeliebten Delio. Der Galan kommt zurück,
die Klage um die verlorene Liebste will kein Ende nehmen. Felicia, die in allen
Zauberkünsten bewanderte Priesterin Dianens, sucht den Knoten zu lösen. Recht-
zeitig stirbt der Gatte, nachdem zuvor ein wahres Spektakulum von Geistern und
Riesen an dem geduldigen Leser vorübergezogen ist. Alles löst sich zum Schluß in
Wohlgefallen auf. Auf die Diana folgt (1584) als zweiter spanischer Import die Ga-
lathea des Cervantes, die gleichfalls unzählige Auflagen erlebt, «GalateV* findet sich
schon seltener in Teppichinventaren. 1581 schreibt Tasso seinen Aminta, 1585 Guarini
seinen Pastor fido, 1588 erblickt die französische Pastorale „Bergeries de Juliette des
Olenix du Montsacre" das Licht. 1610 werden die beiden ersten Teile der Astr6e, die
immerhin mehr als 2000 Seiten zählen, mit Begeisterung begrüßt; 1619 erscheint der
dritte Teil; zwei Jahre nach dem Tode d'Urfös schreibt sein Sekretär den Schluß.
Das Opus zählt insgesamt fünf Bände; die Episoden sind überaus zahlreich. Die
Astree ist in flämischen, französischen und italienischen Wirkereien nachweisbar. Noch
1763 legt die Manufaktur Beauvais eine uHistoire d'AstreV* nach den Kartons von
Deshays auf das Gezeug(251). 1771 sind drei Stücke der Folge — Astr6e im Schlummer,
Celadon wird aus den Fluten gezogen und die Liebesquelle — auf Lager. 1773/4 wird
eine Teilfolge mit der zugehörigen Möbelgarnitur für den Minister Bertin in Auftrag
genommen.
Der Gang der Handlung vollzieht sich nach dem bekannten Schema (252).
Die Inhaltsangabe des Anhanges zeigt, wenn auch in gedrängter Kürze, die Ab-
hängigkeit der Dichtung d'Urfes von dem Tassoschen Schäferspiel Aminta und dem
Moderoman des 16. Jahrhunderts, dem Amadis. Der Stoff ist überaus bilderreich und
zu Wandteppichfolgen in hervorragendem Maße geeignet. Die gesamte Fabel zu ver-
werten, ist ausgeschlossen. Wie die Literatur den Roman in Einzelkapitel auflöst und
selbständig behandelt — Diane und Sylvandre; Historie des Hylas, Galatee und Lin-
damor, Geschichte Dorindens —, so greift der Wandteppich einzelne besonders male-
195