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Deutung

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aufgestellte Nachlaßinventar des Louis Bruslard, seigneur de Brouzin, erwähnt eine Pastor
Fido-Reihe mit acht Behängen.

1683 findet sich in der Hinterlassenschaft des Ministers Colbert (245) eine Wirkerei-
folge „fabrique ancienne du Louvre representant le Pastor fido, contenant six pieces".
Auch das Atelier de la Trinite und die Manufakturen der van der Planken und Comans
wirken eifrig die beliebte Reihe, zu der Meister Guyot, gemeinsam mit seinem Schwager
Dum6e, um 1610 die Patronen malt. Das Kroninventar Ludwigs XIV. erwähnt die
„tragicomödie de Pastor fido, dessein de Guyot et Dumay* mit einer Serie von nicht
weniger wie 26 Einzelteppichen (246). Das 1653 aufgestellte MobilienVerzeichnis des
Kardinals Mazarin (247) nennt eine «tenture de tapisserie fabrique de Paris . . . repre-
sentant [la fable du Pastor fido avec sa bordure de festons de fleurs et fruits, au
milieu de laquelle sont les chiffres de la feue Royne Mere" — Maria von Medicis
starb am 3. Juli 1642. Die Reihe bestand aus sieben Teppichen.

Es ist nicht zu verkennen, daß der Löwenanteil der noch vorhandenen Pastor-Fido-
Teppiche auf die den Gobelins voraufgegangenen Pariser Manufakturen entfällt (Abb. 173).
Eine ziemlich vollständige Aubusson- oder Feiletinfolge — sechs Stück —, die dem
17. Jahrhundert angehört, befindet sich in der Sammlung des Herrn Geoffroy in Saint-
Maxent (Deux-Sevres) (248).

Der Pastor fido bewahrt seine Anziehungskraft noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts.
Er wird von den Wandteppichen, die Quinaultsche Opern als Leitfaden benutzen,
abgelöst; um späterhin dem Telemach den Vorrang zu lassen. Immerhin ist die Guari-
nische Pastorelle für die Bildwirkerei von derart weitgehender Bedeutung, daß eine
etwas eingehendere Analyse berechtigt erscheint (249).

Das Schema weitaus der meisten empfindsamen Schäferspiele läßt sich ziemlich ein-
fach fassen. Schäfer A liebt Schäferin B; die Holde weist A schnöde ab und verzehrt
sich in heißer Liebe zu dem Schäfer C, der wiederum erfolglos sein zuckendes Herz
einer Schönen D zu Füßen legt. Orakelsprüche, Zaubereien und gütige Feen sorgen
dafür, daß der verwirrte Knoten sich in der Regel in Wohlgefallen löst. In den
Teppichfolgen entsprechen die Kostüme der Schäfer und Schäferinnen durchaus nicht
der rustikalen Wirklichkeit. Nicht Landleute sprechen das gezierte, mit mythologi-
schen Phrasen gespickte Französisch oder Deutsch; Angehörige der höchsten Gesell-
schaftsklasse phantasieren sich mit Eleganz und mehr oder weniger Geschick in ein
hohes, etwas wehleidiges Pathos.

Ces rochers et ces bois n'entendent nuit et jour
Que de pauvres bergers qui se plaignent d'amour.

Die wallenden, reichen Gewänder der Schäferinnen und Nymphen unserer Reihen
scheinen unmittelbar Pastorellenaufführungen entlehnt zu sein. Wir finden den gleichen
Vorgang, den wir bereits bei den Mimodramen, den Mysterienspielen, Moralitäten und
Intermedien feststellen konnten. Nicht ohne Interesse ist z. B. die Bühnenvorschrift
für die Arimene. „Ces acteurs estoient habillez ä la forme des pasteurs d'Arcadie, tout
de satin de diverses couleurs, enrichis de clincamp (Flittergold), la panetiere (Hirten-
tasche) de clincamp, les botines (die sandalenartigen Schuhe) de la couleur de leurs
habits, sem6es de roses de clincamp, leurs chapeaux de mesme et la houlette (Hirten-
stab) argentee en la main, les habits fort esclatans, riches et bien faicts". Arimene
trägt ein Kleid aus orangefarbenem Stoffe; der alte Hirte stolziert, seinen Jahren ent-
sprechend, in einem Gewände «ä couleur de feuille morte". Der Hauptliebhaber
Floridor ist „habille ä la francoise de satin cramoisi, la cape de mesme, doublee de
clincamp, l'epee doree et le fourreau (Degenscheide) de velours cramoisi". Dem ge-
alterten Schäfer Argence wird ein graues Röcklein zugestanden, der langstielige Assoue
trägt eine „robbe noire pedantesque", die schöne Orthie die hochgetürmte Haartracht
„ä la mode des nymphes", der zauberkundige Circimant einen schwarzen Talar uä la
mode des anciens mages d'figypte" (250). Der Diener Furluquin ist nach der Art der
italienischen Komödie wä la harlequine" gekleidet. Man sieht, alle Einzelheiten sind in

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