Brüssel
Rolle. Die Enge, die den Lehrling an das Meisterhaus schließt, bindet auch den Ge-
sellen. Nach seiner feierlichen Aufnahme in die Zunft, von der sein weiteres Arbeiten
abhängig gemacht wird, bleibt er bei seinem alten Lehrherrn oder einem anderen
Meister in Lohn und Brot. Ein Auswärtswohnen ist nicht gestattet; nach wie vor
nehmen Meister, Gesellen uud Lehrlinge am gleichen Tische die gewohnten Mahlzeiten
ein. Im 15. Jahrhundert, in einer Zeit erträglicher Konkurrenz, schafft das ständige
Beieinander ein starkes Band zwischen Arbeitgeber und Nehmer; der Beginn der so-
zialen Spaltung, die eintreten muß, sobald ein Übergang aus dem Gesellen- in den
Meisterstand ausgeschlossen erscheint, macht sich nur schwach bemerkbar.
Der Geselle hat voll und ganz das Interesse seines Brotherrn wahrzunehmen. „Item
soe wat cnape van den voirs. ambachte sijne meesters vverck liet staen sonder open-
baren nootsaken te hebben oft vic speien ginge of drinken van sijns meesters werke
sonder wille ende consent sijns meesters, dat die verbueren soude telken male twe
oude grote te bekeren in drien als boven, bij alsoe dat die meester sinen gesworenen
daer over claegde binnen derden dage na dat hij speien oft drinken hadde ge-
weest» (9).
Das unerlaubte Trinken und Spielen bildet mehrere Jahrhunderte lang einen Stein
des Anstoßes; das Verbot findet sich immer wieder in den einschlägigen Statuten und
Satzungen.
Der zweite, noch wichtigere Punkt dreht sich um die Privatarbeit der Gesellen im
Meisterhause. Der Mißbrauch des Rohmaterials lag naturgemäß nahe und führte mehr
wie einmal zu wenig erfreulichen Vernehmungen und Strafen. Das Verbot der Ge-
sellenarbeit auf eigene Rechnung ist nicht unbegründet. Die Angst vor unerlaubter
Verwendung von Wolle und Seide — der betrügerische Geselle half sich viel ein-
facher durch Verkauf der Meistermaterialien — ist nicht in dem Maße ausschlaggebend,
als vielmehr der Wille, heimlich hergestellte Ware, die notwendig minderwertiger
sein mußte, nicht aufkommen zu lassen. Die Ordnung vom 7. IV. 1451 macht ein ge-
wisses Zugeständnis, sie erlaubt dem Gesellen die Arbeit mit eigenem Materiale, sofern
es sich lediglich um seinen persönlichen Gebrauch handelt; eine Freiheit, die für den
Tuchmacher wertvoll, für den Tapetenwirker aber bedeutungslos ist (10).
Es ist jedenfalls kaum anzunehmen, daß ein verheirateter Gesell auf den Ehrgeiz ver-
fällt, seinem Kinde eine der beliebten, gewirkten Wiegendecken zu fertigen oder selbst
mit einer Almosentasche in Gold und Seidenfäden herumzustolzieren.
Scheidet ein Geselle aus dem Dienste, so hat er ordnungsmäßig drei oder mehrere
Tage zuvor seinen Abschied anzusagen. Erst nachdem der „conge" zunftgemäß voll-
zogen ist, kann der fremde Meister den Gesellen in Brot und Lohn nehmen, ohne
sich selbst strafbar zu machen. Die Maßregel ist im wesentlichen in dem Bestreben
begründet, unlauterer Gesellenabjagung vorzubeugen. Der „Abschied" wird zur Not-
wendigkeit mit dem Zeitpunkte, wo fremde, vielfach arbeitsscheue Gesellen von Wirker-
ort zu Wirkerort ziehen und jede ehrliche und gedeihliche Tätigkeit untergraben.
Die „Wandelgesellen" hatten das Recht eine gewisse Spanne, in der Regel 14 Tage,
bei einem fremden Meister zu arbeiten, ohne daß der Lehrlingsnachweis gefordert
wurde. Kritisch wird die Frage der herumziehenden Knapen erst im 16. Jahr-
hundert. In Alost geht man schon in der „niuwre institutie ende confrarie vander
naringhe vanden tappysiers int gulde van Ste Genofeven", vom Jahre 1496, der An-
gelegenheit energischer zu Leibe. Die „ghesellen van buten" haben binnen 13 Tagen
zwei Sous in die Zunftkasse zu entrichten; die Mindestabgabe beträgt jährlich zwölf
Deniers. Der Meister haftet persönlich für die Durchführung der Bestimmungen.
Beabsichtigte der Geselle in den Meisterstand zu treten, so wTar zunächst die Geld-
frage zu überwinden. Eheliche Geburt und Bürgerrecht waren selbstverständliche
Voraussetzungen. Die Einzelheiten, die Höhe der zu zahlenden Meistergelder, die
Spenden in Gestalt von „Rijnschwijn", erscheinen unwesentlich, die Art der Abgaben
ist allen flämischen Wirkerstädten gemeinsam, die Höhe derselben schwankt, Die
Brüsseler Ordnung von 1451 schreibt noch kein Meisterstück vor. Es wird bei den
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Rolle. Die Enge, die den Lehrling an das Meisterhaus schließt, bindet auch den Ge-
sellen. Nach seiner feierlichen Aufnahme in die Zunft, von der sein weiteres Arbeiten
abhängig gemacht wird, bleibt er bei seinem alten Lehrherrn oder einem anderen
Meister in Lohn und Brot. Ein Auswärtswohnen ist nicht gestattet; nach wie vor
nehmen Meister, Gesellen uud Lehrlinge am gleichen Tische die gewohnten Mahlzeiten
ein. Im 15. Jahrhundert, in einer Zeit erträglicher Konkurrenz, schafft das ständige
Beieinander ein starkes Band zwischen Arbeitgeber und Nehmer; der Beginn der so-
zialen Spaltung, die eintreten muß, sobald ein Übergang aus dem Gesellen- in den
Meisterstand ausgeschlossen erscheint, macht sich nur schwach bemerkbar.
Der Geselle hat voll und ganz das Interesse seines Brotherrn wahrzunehmen. „Item
soe wat cnape van den voirs. ambachte sijne meesters vverck liet staen sonder open-
baren nootsaken te hebben oft vic speien ginge of drinken van sijns meesters werke
sonder wille ende consent sijns meesters, dat die verbueren soude telken male twe
oude grote te bekeren in drien als boven, bij alsoe dat die meester sinen gesworenen
daer over claegde binnen derden dage na dat hij speien oft drinken hadde ge-
weest» (9).
Das unerlaubte Trinken und Spielen bildet mehrere Jahrhunderte lang einen Stein
des Anstoßes; das Verbot findet sich immer wieder in den einschlägigen Statuten und
Satzungen.
Der zweite, noch wichtigere Punkt dreht sich um die Privatarbeit der Gesellen im
Meisterhause. Der Mißbrauch des Rohmaterials lag naturgemäß nahe und führte mehr
wie einmal zu wenig erfreulichen Vernehmungen und Strafen. Das Verbot der Ge-
sellenarbeit auf eigene Rechnung ist nicht unbegründet. Die Angst vor unerlaubter
Verwendung von Wolle und Seide — der betrügerische Geselle half sich viel ein-
facher durch Verkauf der Meistermaterialien — ist nicht in dem Maße ausschlaggebend,
als vielmehr der Wille, heimlich hergestellte Ware, die notwendig minderwertiger
sein mußte, nicht aufkommen zu lassen. Die Ordnung vom 7. IV. 1451 macht ein ge-
wisses Zugeständnis, sie erlaubt dem Gesellen die Arbeit mit eigenem Materiale, sofern
es sich lediglich um seinen persönlichen Gebrauch handelt; eine Freiheit, die für den
Tuchmacher wertvoll, für den Tapetenwirker aber bedeutungslos ist (10).
Es ist jedenfalls kaum anzunehmen, daß ein verheirateter Gesell auf den Ehrgeiz ver-
fällt, seinem Kinde eine der beliebten, gewirkten Wiegendecken zu fertigen oder selbst
mit einer Almosentasche in Gold und Seidenfäden herumzustolzieren.
Scheidet ein Geselle aus dem Dienste, so hat er ordnungsmäßig drei oder mehrere
Tage zuvor seinen Abschied anzusagen. Erst nachdem der „conge" zunftgemäß voll-
zogen ist, kann der fremde Meister den Gesellen in Brot und Lohn nehmen, ohne
sich selbst strafbar zu machen. Die Maßregel ist im wesentlichen in dem Bestreben
begründet, unlauterer Gesellenabjagung vorzubeugen. Der „Abschied" wird zur Not-
wendigkeit mit dem Zeitpunkte, wo fremde, vielfach arbeitsscheue Gesellen von Wirker-
ort zu Wirkerort ziehen und jede ehrliche und gedeihliche Tätigkeit untergraben.
Die „Wandelgesellen" hatten das Recht eine gewisse Spanne, in der Regel 14 Tage,
bei einem fremden Meister zu arbeiten, ohne daß der Lehrlingsnachweis gefordert
wurde. Kritisch wird die Frage der herumziehenden Knapen erst im 16. Jahr-
hundert. In Alost geht man schon in der „niuwre institutie ende confrarie vander
naringhe vanden tappysiers int gulde van Ste Genofeven", vom Jahre 1496, der An-
gelegenheit energischer zu Leibe. Die „ghesellen van buten" haben binnen 13 Tagen
zwei Sous in die Zunftkasse zu entrichten; die Mindestabgabe beträgt jährlich zwölf
Deniers. Der Meister haftet persönlich für die Durchführung der Bestimmungen.
Beabsichtigte der Geselle in den Meisterstand zu treten, so wTar zunächst die Geld-
frage zu überwinden. Eheliche Geburt und Bürgerrecht waren selbstverständliche
Voraussetzungen. Die Einzelheiten, die Höhe der zu zahlenden Meistergelder, die
Spenden in Gestalt von „Rijnschwijn", erscheinen unwesentlich, die Art der Abgaben
ist allen flämischen Wirkerstädten gemeinsam, die Höhe derselben schwankt, Die
Brüsseler Ordnung von 1451 schreibt noch kein Meisterstück vor. Es wird bei den
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