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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (I. Teil, Band 1): Die Niederlande — Leipzig, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.12244#0408
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Brüssel

des Franz van den Hecke (Abb. 175), einzelne auch die Signatur des Jan Raes. Die
gleichen Namen finden wir bei der qualitativ minderwertigeren Geschichte Simsons
in der Madrider Staatssammlung.

Außer den spanischen Folgen, dem Einzelteppich mit dem Triumphe des Todes, einem
Behänge in der Wiener Staatssammlung mit der Signierung F. V. H. — ein Heros
führt eine gerüstete weibliche Gestalt in ein Zelt, Pallas-Athene und Venus wohnen
dem Vorgange bei — und dem zum «Leben des Menschen" gehörigen römischen Tep-
pich — die Laster spielen zum Tanze, der Mensch sucht zu entfliehen; Mäßigung,
eine allegorische Frauengestalt mit Zügel und Peitsche, wird als Siegerin von drei
Genien gekrönt — scheinen keine weiteren Behänge vorhanden zu sein. Von den
Madi ider Reihen ist übrigens keine vollständig. Die beiden Folgen «Leben des Menschen"
bestehen aus je sieben Teppichen; die Bordüren sind bei jeder Serie verschieden; die
Darstellungen ergänzen sich zum Teil, verschiedentlich kommen Abweichungen vor.
Die „Liebe des Menschen" ist gleichfalls durch zwei Exemplare vertreten, von denen
das eine sieben, das andere nur drei Teppiche zählt.

Von sonstigen Reihen, die Franz van den Hecke zuzuschreiben sind, ist eine Jakobs-
folge (102) sowie die Geschichte des Paradieses, wie der zeitgenössische Ausdruck
lautet, zu erwähnen. Die Historie des ersten Menschenpaares ist im 17. Jahrhundert
nach den gleichen Renaissancekartons von verschiedenen Brüsseler Manufakturen ge-
arbeitet worden. Die älteste Serie in der Münchener Staatssammlung trägt die Marke
des Jan van Tiegen; sie dürfte um 1555 entstanden sein. Barockwiederholungen be-
sitzen der Salzburger Domschatz und die Sammlung des spanischen Königshauses. Die
vier Teppiche — Gott übergibt Adam die Herrschaft über die Tiere, die Erschaffung
der Eva, der Sündenfall, das Leben nach der Vertreibung aus dem Paradiese — im
Hause Krupp von Bohlen und Halbach schreibt Prof. E. Kumsch Franz van den Hecke
zu (103).

Schließlich ist noch eine Elementenfolge im römischen Besitze zu erwähnen, die die
Signierung F. V. D. H. (Franz van den Hecke) trägt, die nicht mit der bekannten
gleichnamigen Serie aus dem Atelier seines Sohnes identisch zu sein scheint.

Die Tätigkeit der von dem Sohne Jan Franz van den Hecke geleiteten Manufaktur
steht in Hinsicht auf Zahl und Güte der erzeugten Folgen dem väterlichen Unter-
nehmen in keiner Weise nach. Im siebenten Jahrzehnt dürfte das Atelier des Meisters
als das bedeutendste Brüsseler Wirkereiunternehmen anzusprechen sein. Nicht weniger
als 21 Stühle sind für Jan Franz tätig, die natürlich nicht sämtlich seinem Betriebe
angehören. Auf die eigene Manufaktur entfallen acht Stühle, weitere sechs beschäftigt
sein Sohn Peter, die übrigen stellen befreundete Wirker. Erasmus de Pannemaker
läßt für Jan Franz van den Hecke zwei Gezeuge, Leonard Wyns, Willem de Puttere,
Willem van den Sande, Jan Parmentiers und Willem Roelants je einen Stuhl ar-
beiten. Ein derartiges Unternehmen überschreitet weit die Grenzen, die einst zünftige
Ordnung setzte. Ob der Meister dauernd diesen Stand halten konnte, erscheint mehr
wie fraglich, die Ausführung der riesigen Alexanderfolgen und anderer großer Auf-
träge scheint die Arbeit auf ein Jahrzehnt stark zusammengedrängt zu haben. Jan
Franz van den Hecke entstammt der zweiten Ehe seines Vaters mit Johanna (Anna)
d'Oudesoen. Er erhält am 24. Mai 1662 die seinem Betriebe entsprechenden Privilegien
und bekleidet zugleich das Amt eines Doyens der Zunft.

Jan Franz verarbeitet mehrfach die Kartons des väterlichen Unternehmens, in erster
Linie den Triumph des Abendmahls. Noch am 7. Juni 1691 schließt der Meister einen
Vertrag mit dem Antwerpener Händler Louis de Lannoy, in dem er sich verpflichtet,
„eene caemer tapisserye Brüssels wercke representerende de triumphe vande Heilige
kercke naer de originalen patroon van Pedro Paulo Rubens" in der Zeit von nicht
mehr als sechs Monaten anzuliefern. Wenn man bedenkt, daß die Reihe in den ver-
langten acht Teppichen eine Oberfläche von 2911/2 Quadratellen — 5% Ellen hoch,
53 Ellen lang — bedeckt, so läßt sich ohne weiteres annehmen, daß ein derartiger
Auftrag nur durch Heranziehung zahlreicher, befreundeter Ateliers und durch weit-

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