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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (I. Teil, Band 1): Die Niederlande — Leipzig, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.12244#0416
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Brüssel

Die Krönung Kaiser Karls, eine figurenreiche Darstellung, zeigt die Signierung JAN
RAES. Das Stück bildet wahrscheinlich einen Teil der Folge der neun Helden.

Aus der Ehe des Meisters mit Margarete van den Ackere entsprossen mehrere Söhne,
die den Beruf des Vaters ergreifen. Franz Raes ist bekannt durch eine Alexander-
geschichte nach den Entwürfen eines Rubensschülers. Verschiedene Stücke wurden
1874 auf der Pariser Kostümausstellung gezeigt. Ferner brachte eine Pariser Auktion
vom 17. Mai 1907 drei F. RAES signierte Jagdteppiche: Hirsch-, Wolf- und Tiger-
jagd. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Wiederholung der im Amsterdamer
Reichsmuseum befindlichen Jagdenserie, die seltsamerweise RAS-ORLOFS signiert ist
(Abb. 318). Modisch gekleidete Herren mit riesigen Schlapphüten schießen aus dem An-
stand zwei Tiger ab, die, wenig achtsam, mit einem Alfen in Meinungsverschiedenheiten
geraten sind. Die Bordüre — vorzüglich in Farbengebung und Technik — will mit den
großen Puttenfiguren nicht recht zu der Mitteldarstellung passen. Die zwei anderen
Teppiche behandeln die Straußen- und die Löwenjagd. Ein weiterer zugehöriger Be-
hang schildert eine Kriegsszene. Im übrigen ist die Tätigkeit der Manufaktur des
Franz Raes noch stark in Dunkel gehüllt. Das gleiche gilt von Peter Raes, der 1643
die Privilegien erhält, also ein nicht unbedeutendes Atelier besessen haben muß.
Wahrscheinlich arbeitete der Meister zusammen mit dem dritten Bruder Jan, der zum
Unterschiede von seinem Vater JAN RAES LE JEVSNE signierte. Der junge Jan
besitzt gute Verbindungen zu dem spanischen Hofe, für den er verschiedene noch er-
haltene Teppichreihen ausführt, Der Meister steht in enger geschäftlicher Fühlung mit
Franz van den Hecke. Die mehrfach erwähnten Folgen „Leben des Menschen" und
„Cupidos Leiden" (Liebe des Menschen) werden gemeinsam von beiden Firmen aus-
geführt, Eine selbständige Arbeit des jüngeren Jan Raes ist die Theseusgeschichte, die
in der Madrider Staatssammlung mit zwei Serien vertreten ist, Die ältere Reihe stellt
die Bordüre aus Motiven der Decius Mus- und der Menschenleben-Folge zusammen
(Abb. 172). Die jüngere, technisch vollendetere Folge arbeitet gleichfalls mit gewundenen
Barocksäulen in den Seitenumrahmungen; die untere Bordüre wird durch ein glattes
Band ersetzt, die obere verwendet ein nicht ungeschickt komponiertes Rankenwerk.
Figuren, Hintergrund und architektonische Details sind einwandfrei durchgeführt. Die
Theseusgeschichte ist ein gutes Beispiel einer dekorativ glücklich gelösten Barockfolge
(Abb. 319).

Die Berwick-Alba-Sammlung führt zwei Zwischenfensterteppiche auf, die zu einer
Jagdfolge gehören. Weshalb der Reiter zu Pferd als König von Schweden bezeichnet
wird, ist nicht ersichtlich.

Jan Raes der Jüngere stirbt nach Angabe von Wauters vor 1637. Eine Nachprüfung
der Datierung war nicht möglich; verschiedene Teppiche seines Ateliers lassen auf eine
spätere Anfertigung schließen. Mit Meister Jan erlischt d^s alte Wirkergeschlecht. Auch
seine Brüder oder deren Nachkommen scheinen das Unternehmen nicht fortgesetzt zu
haben.

Vielfach verwechselt mit der Manufaktur der Raes wird das Unternehmen des Jan
Raet oder Raedt, das 1644 in Konkurs ging. Der Meister gehört 1629 mit zu den Pri-
vilegierten, Ein authentisches Stück des Wirkers befindet sich im Schatze der Kathe-
drale zu Toledo. Es handelt sich um eine aus fünf Teppichen bestehende Geschichte
der Dido, die das Brüsseler Stadtzeichen und den Namenszug DE RAET trägt. Die
Sammlung Berwick - Alba besaß einen Wildparkteppich von ziemlich beträchtlichen
Dimensionen — 4 m auf 6 m — mit der Signatur RAE T. Die Familie scheint sehr
alt zu sein. Ein Jan de Raet wird bereits 1422 als Wirkerlehrling in den Zunftlisten
geführt.

Unter die Reihe der Wirker mit ähnlich klingendem Namen gehört schließlich Jan
Aerts. Er zählt gleichfalls zu den Privilegierten des Jahres 1629 und teilt diese Ehre
mit Bernard von Brustom, Franz van Maelsack, Jan Raet, Franz van den Hecke,
Heinrich Mattens, Christian van Brustom und Jan Raes dem Jüngeren. Jan Aerts be-
kleidet zweimal die Würde eines Doyens der Wirkerzunft. 1633 tritt er an Stelle

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