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Brüssel

des Jan van den Hecke, 1635 erfolgt seine Wiederwahl. Die Tätigkeit seines Ateliers
dürfte kaum über das durch die Privilegierung bedingte Maß—jährlich zwei Tapisserie-
zimmer — hinausgegangen sein. Die Wahl zum Doyen besagt noch nicht, daß der
Betreffende Inhaber eines größeren Betriebes war. Es scheint im Gegenteil der Fall
gewesen zu sein, daß manche Großwirker sich nach Möglichkeit von diesen zeit-
raubenden Ämtern fernzuhalten suchten und die Würde gern kleineren Unternehmern
überließen, die genügend Zeit, Lust und Ehrgeiz besaßen, sich in langen Sitzungen
mit Zunftfragen herumzuschlagen.

Die von dem Meister JAN AERTS. F. signierte Geschichte des ersten Menschen-
geschlechtes im Besitze der Metropolitankirche S. Rupert und St. Virgil zu Salzburg
ist nach den bereits erwähnten Renaissancekartons gewirkt. Die Bordüre schließt sich
in der Lösung der Madrider Decius Mus-Folge von Jan Raes an. Technisch und
künstlerisch ist die Vorlage gut durchgeführt. Auch das Beiwerk und der Hinter-
grund sind liebevoll behandelt. Die Arbeit stellt die Manufaktur des Meisters über
den Durchschnitt der Brüsseler Ateliers seiner Zeit (120).

Donnet bringt ferner einige Belege von einem „Tappichier" Anton Aerts. Es handelt sich
um einen Verwandten, vielleicht um den Vater Meister Jans. Er erscheint am 26. März
1602 als Zeuge in dem Geubels/Sweertsschen Prozeß. Sein Alter wird mit 48 Jahren
angegeben, so daß ein gut Teil seiner Tätigkeit noch dem 16. Jahrhundert angehört.
Der Hauptsache nach fertigt Anton Aerts Verdüren. Er berechnet bei den Gartenteppichen
mit Pergolamotiven die Quadratelle mit 28 Escalins, einfache Verdüren ohne architek-
tonische Details mit 22 Escalins. Er ist der Fabrikant von zwei Behängen der in
dem Prozeß strittigen „galderye met pilleeren ende mey potten met water ende locht
boerden" (121). Ein jüngerer Anton Aerts ist für die Zeit von 1637—1669 nachweisbar,
ein Michel Aerts erscheint 1672, 1686, 1687 in urkundlichen Belegen, Michel Aerts der
Jüngere findet 1699 und 1707 Erwähnung, Josse Aerts figuriert 1657 unter den Ältesten
der Zunft.

Ein weiteres Mitglied der Familie wird in der Privilegierungsurkunde von 1613 ge-
nannt: Nicaise (Nikolaus) Aerts. Die Tätigkeit seines Ateliers ist bislang noch völlig un-
geklärt. Er gehört zu den Mittelbetrieben, die im wesentlichen für Großwirker tätig sind,
unter deren Erzeugnissen ihre Produkte völlig verschwinden. Das gleiche scheint für
verschiedene Mitglieder der Familie Maelsack zu gelten. Ein Franz van Maelsack ge-
hört zu den Privilegierten des Jahres 1629, ein Peter van Maelsack, wohl der Vater
des Meisters, tritt in dem Geubelsschen Prozeßverfahren auf. Der letztere hat ein
Stück der vielumstrittenen Gallerienfolge übernommen und nach seinen Angaben nur
«goed doprode cnop syde ende fyne syde sonder bombersche syde" verwandt. Seine
Arbeit ist mit 28 Escalins für die Quadratelle vergütet worden. Die Geburt Meister
Peters fällt in das Jahr 1562.

Eine authentische Arbeit des Franz van Maelsack tauchte vor etwa vier Jahren im Be-
sitze der Berliner Kunsthandlung J. Klausner & Sohn auf (Abb. 320). Ein lorbeergekrönter
Feldherr steht auf einem Steinsockel unter reichem Baldachin. Unmittelbar ihm zu
Füßen vollzieht sich ein barbarisches Strafgericht. Ein Henker enthauptet einen knieenden
Gefangenen, an einem zweiten Opfer wird die Geißelung vollzogen. Im Hintergrunde
harren zahlreiche Unglückliche eines ähnlichen Schicksals; römische Legionäre halten
die Wache. Die Ausführung der Bilddarstellung ist konventionell, ohne sonderliches
Leben. Prächtig ist die Durchbildung der Umrahmung. Die Mitten der Bordüren füllen
schwere Barockkartuschen, von denen jede eine Aesopsche Fabel umschließt, die in
den Einzelheiten fein wiedergegeben ist. In den vier Ecken lagern allegorische Ge-
stalten, die Füllhörner tragen, aus denen üppiges Fruchtwerk quillt.

Das Bildmotiv mutet auf den ersten Blick seltsam an. Die Verherrlichung römischer
Feldherrn läßt in dem Gedankengange des 17. Jahrhunderts derartig ausgesprochen
barbarische Strafakte nur selten zu. Es liegt nahe, an eine Christenverfolgung zu
denken. Seltsamerweise bringt eine Zeichnung des Kommandanten Barat, eines Offi-
ziers des ersten Napoleonischen Kaiserreichs, die Lösung. Es handelt sich um die

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