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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (I. Teil, Band 1): Die Niederlande — Leipzig, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.12244#0456
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Brüssel

erwähnten Orleys sämtlich Abkömmlinge Meister Valentins sind. Sowohl Niko-
laus van Orley wie sein Yater Gomar, Eberhard van Orley und sein Vater Philipp
sind ausgesprochene Patronenmaler. Von Valentin van Orley ist das gleiche anzu-
nehmen. Wahrscheinlich übte der Bruder Valentins, ein Everard d'Orley, den gleichen
Beruf aus. Auch ohne diese Annahme bilden die Orleys, von Valentin bis zu Niko-
laus und Eberhard, eine Art Familienatelier, das sehr wohl die umfangreichsten Aufträge an
Bildteppichpatronen erledigen konnte. Ob nun tatsächlich Philipp van Orley als 16 jähriger
Jüngling den Entwürfen der Londoner Petrarcaschen Triumphe seinen persönlichen
Stil aufprägte, was immerhin möglich ist — die Lehrzeit begann bereits mit dem
achten Lebensjahre —, oder ob die Entwürfe im väterlichen Atelier entstanden sind,
bleibt letzten Endes ohne Belang. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist Philipp van Orley
mit dem Patronenmaler des Herkinbaldteppichs identisch. Von Bedeutung sind die
Untersuchungen A. Thie>ys (174), der auf Grund eingewirkter Inschriften eine Reihe
von Teppichen zusammenfaßt, deren Auswahl auf den ersten Blick reichlich kritiklos
erscheint. Tatsächlich bringen aber die Zusammenstellungen, soweit sie die Orleys
betreffen, den Nachweis, daß die Familie bereits in der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts einen hervorragenden Ruf als Patronenmaler besessen hat. Eine Nachblüte
erlebt das Geschlecht im 18. Säkulum in dem bekannten Kartonzeichner Jan van Orley.
Wahrlich eine stolze Dynastie!

In der Passionsfolge der St. Mauritiuskirche zu Angers (Abb. 258,259), deren Entstehung
in das Ende des 15. Jahrhunderts fällt, findet sich in dem Teppich, der den Heiland als
Kreuzträger darstellt, im Rocksaume des den Erlöser am Seile vorwärtszerrenden Negers
die Inschrift AEILST . VAN OIRLE. Zwei weitere Stellen tragen die Namen
O R S L E und O S L E. Ein Zw eifel an der Mitarbeit des Valentin van Orley ist kaum
angängig. Ebenso sicher ist die Folge als Werk des berühmten Peter von Aelst anzu-
sprechen.

Wir finden den Namen unseres Patronenmalers OIRLE bezw. O wieder in den
Fragmenten der „Einnahme Jerusalems" in Notre Dame de Nantilly zu Saumur. Beide
Bildteppichfolgen weisen außer Orleys Namen noch häufiger den eines Meister Joanes,
Johanes, Jan Room, Roem, Raoum, Rom, Romeus Joanes, Jan Raon auf.

Jan de Roome, identisch mit Meister Jan, der 1513 die Entwürfe „au petit pied" für
den Herkinbaldteppich schuf, ist eine der vielumstrittensten Persönlichkeiten der bra-
bantischen Malerschule. Auf die verschiedenen Theorien, die Jan de Roome mit Jan
Mostaert oder Jan Gossart-Mabuse identifizieren wollen, einzugehen, fehlt der Raum.
Fast durchweg wird van Roome oder van Bruessel als Deckname bezeichnet, hinter
dem ein bedeutender Tafelmaler vermutet wird. Die urkundlichen Belege der
Tätigkeit des Jan van Roome als Hofmaler der Statthalterin Margarete von Savoyen
geben nicht den geringsten Anhalt für diese Annahme. 1510 entwirft der Meister die
Skizzen der 16 Statuen brabantischer Herzöge und Herzoginnen für die dekorative
Ausgestaltung des Gitters von Schloß Coudenberg. 1516 zeichnet Jan in „noir et blanc",
der typischen Technik der „petits patrons", monumentale Grabdenkmäler für die Kirche
zu Brou; auch die Durcharbeitung in natürlicher Größe liegt ihm ob. 1517 und 1521
entwirft van Roome die Staatssiegel für Kaiser Karl. 1520/21 nimmt er die Kartons
für die Glasmalereien der Mechelner Saint-Rombautkirche in Angriff. Jehan de Bruxelles
ist „nostre aimö maistre" Margaretens von Österreich.

F. de Mely(175) weist den Meister 1498 in Brüssel nach. In dem genannten Jahre
gehört Jan und seine Frau Margarete zu der Lilienbruderschaft im Kirchspiele Sankt
Georg. Er bringt van Roome ferner mit den „Heures" der Prinzessin von Croy in der
herzoglich Arenbergschen Bibliothek zu Brüssel in Verbindung. Die Beschneidungs-
szene zeigt neben Simeon einen kerzenhaltenden Gehilfen; dessen Kopfbedeckung am
Rande in römischen Lettern unverkennbar den Namen I AN ROME trägt. Der Meister ist
kein Tafelmaler, sondern der Inhaber eines Ateliers, das sich mit der Herstellung illumi-
nierter Schriften, Siegel, Glasfenster und Bildteppichentwürfe befaßt; kurz, wir haben
einen Betrieb vor uns in der Art, wie wir sie bereits zur Zeit der burgundischen Herzöge

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