Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Editor]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0249
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Beauvais

(Schaukel, Tanz zu zweien), die Sammlung Edward Tuck gleichfalls zwei Stücke
(Fischfang und Tanz zu zweien). Das zugehörige Möbel verwertet Tiergestalten in Verbin-
dung mit Arabesken; die Schirmblatter schildern die Kirschenernte. Als eine Art Ergänzung
entstehen die „Panneaux de 3 pieds de large sur 11 pieds. Dessin en genre arabesque,
avecfigures et mascarons de deux dessins differents", die 1786 zweimal zur Durchführung
gelangen. Ein noch erhaltenes Exemplar dieser billigen, dekorativen Wirkereien ist mir
nicht bekannt. Nicht selten werden Behänge der Huet'schen Folge mit einer 1788
von Lagrenee geschaffenen Serie kombiniert, die die allegorische Wiedergabe der
Künste und Wissenschaften zum Gegenstande der Darstellung nimmt: Malerei (bis
1792 dreimal wiederholt); Ackerbau (zweimal); Handel (einmal) (93) und Bildhauerei
(zweimal). Eine unvollständige mit vier Motiven der „Pastorales ä draperies bleues"
zusammengestellte Serie befindet sich im französischen Garde-Meuble: Malerei, — eine
sitzende Frauengestalt, die Palette in der Hand, wird von einem Genius gekrönt, die
Allegorie des Ruhmes schwebt in den Lüften —, Bildhauerei — eine Frau bearbeitet
die Marmorbüste Ludwigs XVI., Amoretten tragen Blumengewinde, die Rahmung ist
die gleiche wie bei den Huet'schen Stücken (94). Besonders reizvoll wirkt das zu den
„Künsten und Wissenschaften" gehörige Möbel, das vollständig aus 2 Sofas und 12
Fauteuils besteht; das Kreisrund der Rückenblälter und Sitze zeigt den Knaben als
Bildhauer vor einer Mädchenbüste, den kleinen Maler vor seinem Modell und ähnliche
geschmackvoll zusammengestellte Motive: die allegorische Gestalt der Geometrie mit
Globus und optischen Instrumenten, Musik, Astronomie, Architektur, Mechanik, Acker-
bau, Geschichte, Handel usw.

Das Aufblühen der historischen Wissenschaften verleitet Beauvais, ähnlich wie die
Staatsmanufaktur der Gobelins — Geschichte Frankreichs — zur Wiedergabe ge-
schichtlicher Vorgänge, wohlverstanden in der trockenen, unrichtigen Kostümauffassung
des endenden 18. Säkulums. 1785 bearbeitet Lavallee Poussin die Eroberung Indiens
in drei Bildern: Ausfahrt und Rückkehr Vasco da Gamas, der Held wird zum Admiral
der Indien ernannt. Die Serie wird 1785 (vollständig in der Sammlung Clarenre H.
Mackay) und 1788 auf die Gezeuge gelegt; die dem König (1788) gelieferte Reihe be-
findet sich in verstümmeltem Zustande, zu Supraporten zerschnitten, auf Schloß Com-
piegne. Von dem gleichen Künstler stammt eine Alexanderfolge (4 Teppiche), die nur
einmal (1792) zur Übertragung gelangte (95). Ungleich beliebter als die Entwürfe
Lavallöes sind die im gleichen Jahre (1792) entstandenen historischen Kartons von Mon-
siau: der verliebte Aristoteles wird von Alexander überrascht, als er den Wagen der
Aspasia zieht (zweimal wiederholt, Abb. 249), Sokrates findet Alcibiades unter den
Frauen (zweimal) (96); ähnlich verhält es sich mit den ergänzenden Patronen von der
Hand des Jean-Baptiste Francois Dösoria: Odysseus erkennt Achilles am Hofe des Ly-
komedes; BriseTs wird dem Abgesandten Agamemnons ausgeliefert (beide je zweimal
übertragen). Die Bilddarstellungen sind von beängstigender Langweile; die durch die
Rahmung — eines Prunkspiegels würdig — nicht gerade behoben wird. Zwei Alex-
ander- und zwei Achillesteppiche befinden sich in der Sammlung Jacques Seligmann.

Erträglicher wirken die „Vier Weltteile" (105) nach Lebarbier (1790) — Europa, Asien,
Afrika, Amerika —; die Folge ist mit den zugehörigen Möbeln — zwei Kanapees und
zwölf Fauteuils — nur einmal zur Durchführung (für den Hof) gelangt; die Serie
schmückt, einschließlich des Möbels, das Pariser Hötel Gaston Manier.

In den achtziger Jahren gestaltet sich Menous finanzielle Lage immer schwieriger;
die Fußteppicherzeugung im Savonnerie-Verfahren, seit 1787 eingeführt, bringt trotz
des günstigen Absatzes keine hinreichende geldliche Hilfe; der jährliche Erwerb reicher
Folgen zu diplomatischen Zwecken hat aufgehört, im Gegenteil, de Menou wird mit
dem Verkaufe zahlreicher Beauvaisfolgen und Möbel „provenant des Affaires ötrangeres"
betraut, um der fiskalischen Kasse aufzuhelfen. 1790 arbeiten noch 120 Angestellte,
die mit ständigen Gehaltserhöhungen den ohnehin mit den größten Schwierigkeiten
kämpfenden Leiter drangsalieren; 1794 wenden sich die Wirker beschwerdeführend
an die Nationalversammlung. De Menou erklärt, die Gelder für die Weiterbesoldung

231
 
Annotationen