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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Hrsg.]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0316
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Tours. Touraine.

Grenzgebiete

Abtes Jacques Le Roy, der die Folge seinem Kloster Saint-Florent-les-Saumur 1524 —
die Jahreszahl trägt ein Behang — überwies; die aufgewandten Mittel bezifferten
sich auf 2066 Livres. Die Teppiche schmückten bis zur französischen Revolution die
Abteikirche, um dann nach St. Peter abzuwandern (63).

Die Szenen sind von innerem Leben durchglüht. Der Statthalter, in reicher zeit-
genössischer Tracht, von zwei Vertrauten begleitet, empfängt vor der Pforte seines
Palastes den Boten Diokletians, der entblößten Hauptes, das Knie gebeugt, ihm ehr-
furchtsvoll das Edikt überreicht. Im Hintergrunde erhebt sich der Palast mit einer
reichen, stark italienisierenden Renaissancepforte, die eine Draperie schließt, Eine
mit Bäumen bestandene, turmgekrönte Wehrmauer baut sich auf. Zur Linken be-
obachtet ein Fußknecht den fesselnden Vorgang, ein Diener hält das Pferd des
Boten. Ein Renaissancepilaster mit aufgelegtem Ornamentwerk — das Wappen-
schild des Stifters hängt unter dem Kapitell — schließt die Szene zur Linken; eine
achteckige Säule — wiederum erscheint das von Abtstäben überhöhte Hoheitszeichen
des Stifters — trennt die Episode von dem nächsten Bilde.

In reich ausgestattetem Räume thront der Statthalter unter halbrundem Baldachin,
in den Händen den unheilvollen Erlaß. Er spricht lebhaft auf die beiden Brüder
ein, deren Körper Tuniken decken; die jugendlichen bartlosen Häupter umstrahlt die
Gloriole. Im Hintergrund glotzen die Götzenbilder — gewappnete Kriegergestalten,
wohl Mars und Jupiter, aus dem von Brokatbehängen umhüllten Heiligtum — von
anbetenden Gläubigen umringt. Unmittelbar neben Sankt Florent kniet ein reich-
gekleideter Heide mit seinem Kinde. Das Tor des Gartens vermittelt den Ausblick
auf einen blühenden Baumgarten, rautengefaßte Fenster gliedern die Längswand des
Saales. Der kaiserliche Bote nimmt in der Nähe des Statthalters Aufstellung, die heid-
nische Bevölkerung strömt herbei; ein Ehepaar, von einem Hunde begleitet, eilt durch
die Pforte, den Göttern Verehrung zu erweisen. Die Episoden sind von dem gleichen
Geiste beseelt, der die große Sankt Remigiusfolge zu Reims beherrscht, sie zeigen so-
wohl in Technik wie in Farbengebung eine so starke Übereinstimmung, daß es viel-
leicht berechtigt sein dürfte, auf den gleichen entwerfenden Künstler, auf dieselbe Ma-
nufaktur zu folgern.

Die Serie findet mit einem Behänge, der sich zur Zeit im Besitze der Kathedrale
von Angers befindet, ihre Fortsetzung. Der Statthalter hat in Ausführung der christen-
feindlichen Erlasse die beiden Glaubenszeugen gefangennehmen lassen. Sankt Florent
wird mit gebundenen Händen von zwei Soldaten zum Gefängnis geleitet. Zur Linken
steht eine vornehme Persönlichkeit in rotem Gewände, an der Seite die blaue Almosen-
tasche, im Gespräch mit einem Hellebardenträger, dessen blauer Rock als Saumschmuck
die Buchstaben VAIOEVISI zieren. Soldaten und Zellenschließer beleben die Szene.
Ein Vierzeiler erläutert wiederum die Darstellung. Die Episode wird von Renaissance-
pilastern gerahmt, von denen der eine das Wappen des Jacques Le Roy trägt. Im
nächsten Bilde weilt der in Rot gekleidete Statthalter, von seinen Vertrauten begleitet,
auf einer Art Loggia. Im Vordergrunde, in der Mitte, erblicken wir den bis auf das
Lendentuch entkleideten Sankt Florent, den Nimbus ums Haupt, an einen Pfahl ge-
bunden; vor ihm steht der Henker in blauem Rocke, in der Rechten die Rute. Ein
zweiter Scherge macht sich mit der Fesselung des Heiligen zu schaffen. In ähnlicher
Haltung erscheint der Bruder.

Einzelheiten der ausführlich ausgesponnenen Legende führen zu weit. Die Folter
nimmt ihren Fortgang:

«Son cceur fölon rage fit echauffer

Pourquoi leur fit les epaules 6teindre

Et comprimer pour chair et os contreindre

Publiquement ä gros barreaux de fer."
Die Szene der Befreiung scheint nicht mehr vorhanden zu sein. Der Rest der Serie
befindet sich im Besitze der Saint-Pierre Kirche zu Saumur. Ein Engel kündet Sankt
Martin die Ankunft Sankt Florents in Tours. Der Glaubenszeuge wird feierlich ein-

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