Nancy
l'Abbö (Labbö) (14). Das Unternehmen hat keinen langen Bestand, 1607 ist Hermann
Labbö in München in der herzoglichen Manufaktur des Hans van der Biest tätig, um
Ende 1609 wieder nach Brüssel zurückzukehren. Ob in der Spanne zwischen 1607
und 1613, dem Jahre der Berufung der beiden Brüsseler Wirker Isaac de Hamela und
Melchior van der Hagen, in Nancy Bildteppichwirker tätig waren, wie die Begleitnotiz
eines Stadtplanes von 1611 vermuten läßt, erscheint ohne weitere urkundliche Belege
allzu wenig gesichert (15). Ist Henry Philippe, der Hofwirker Herzog Heinrichs II.
gemeint, dessen Tätigkeit im übrigen mehr den Tapezierarbeiten im heutigen Sinne
gewidmet war? Die einzige Tatsache, die mit einer heimischen Manufaktur in Ver-
bindung gebracht werden könnte, ist der Ankauf, den Franz von Lothringen (der
natürliche Sohn Herzog Karls III.), Abt von Moyenmoutier und Kanonikus des Kölner
Domes, tätigt (16). Wenig geklärt ist der Atelierbetrieb des Arnauld de la Cane, der zu-
gleich das Amt eines Wirkers der Herzogin Margarete (aus dem Hause Gonzaga) bekleidet.
Heinrich II. kommt Isaac de Hamela (du Hamels, du Hamel) und Melchior van der
Hagen in weitem Maße entgegen. Die Wirker, die mit sechs Altgesellen und zahl-
reichem Gesinde in Nancy anrücken, beziehen eine in zwei Baten zahlbare Beihilfe in
Höhe von 450 Franken (17). Die Vertragsdauer läuft auf sechs Jahre; ein größerer Zu-
schuß an Naturalien (Korn) gewährt den Wirkern wesentliche Lebenserleichterung (18).
Die Unterbringung der neuen Manufaktur bereitet Schwierigkeiten; 1616 sind zwecks
Schaffung geeigneter Atelierräume umfangreiche Arbeiten im Bathause im Gange, noch
1624/25 sind die baulichen Veränderungen nicht abgeschlossen. 1616 finden wir den
flämischen Wirker Bernard van der Hameyden (ob aus Brüssel?) im Dienste des
Herzogs. 1617 arbeitet ein Bernard van der Hagen — wohl mit Bernard van der
Hameyden identisch — an einer Geschichte des Holofernes. Von de Hamela und
Melchior van der Hagen ist keine Bede mehr, aller Wahrscheinlichkeit nach dürften
die beiden Meister bereits um 1615 wieder abgewandert sein. Weitere Beträge be-
zieht Bernard van der Hameyden in den Jahren 1618 und 1620. 1621 quittiert Cathe-
rine Suart, die Gattin Meister Bernards, über den Empfang des vertraglich zustehenden
Korns. Die Holofernesfolge wandert als Geschenk des Herzogs an den Herrn de
Bourlemont; über den Verbleib der für die Geschichte der Manufaktur Nancy so be-
deutsamen Behänge ist mir nicht das geringste bekannt. Zwei weitere Serien, die
sich mit dem Namen van der Hameydens in Verbindung bringen lassen, sind die Ge-
schichte des Apostels Paulus und eine Hirtenfolge. Die erste Beihe ist verschollen,
sie steht in keiner Beziehung zu der prächtigen Paulusreihe im österreichischen Staats-
besitz — eine Brüsseler Arbeit des 16. Jahrhunderts, die gleichfalls dem lothringischen
Textilienschatze entstammt —; die zweite, gleichfalls nicht mehr vorhandene Serie ist
wahrscheinlich identisch mit der im Schloßinventar von Viviers (1629) erwähnten
Folge von acht Behängen ude feuillages et bocages". Weitere Arbeiten Meister Ber-
nards, „de belles tapisseries de Nancy", befanden sich im Besitze der Dominikanerinnen
zu Verdun (19). Die Tatsache läßt auf starke private Tätigkeit der herzoglichen
Wirkerkolonie schließen, u.a. nennt dasMobilienVerzeichnis (1621) der „Grand'Maison",
im Eigentum des Grafen de Koeurs, Barons von Manonville, als Folgen von Nancy die
Geschichte Armides, das Leben des Cyrus, die Gärtnerkinder u. a. mehr (20).
Die Manufaktur ist noch 1625 im Betriebe, in ihrem Absätze wirksam unterstützt
durch ein scharfes Einfuhrverbot ausländischer Wirkereien. Die unruhigen Zeiten unter
der Begierung Herzog Karls IV. (seit 1624), der weit mehr Sinn für kriegerische Eska-
paden als für die Förderung heimischen Kunstfleißes bezeugt, bereiten dem jungen
Unternehmen ein unerfreuliches Ende. 1631 flüchtet der Herzog aus Nancy, ein aben-
teuerliches Leben beginnt, einige Wochen nach der siegreichen Schlacht bei der
Konzerbrücke (11. August 1675) segnet Karl IV. das Zeitliche (21). Der Nachfolger
Karl Leopold (Karl V) bleibt auch nach des Oheims Tode in kaiserlichen Diensten;
er befehligt 1683 die zum Ersätze von Wien ausrückenden Beichstruppen, schlägt die
Türken 1685 bei Gran, erobert Neuhäusel und Ofen und erficht 1687 den entschei-
denden Sieg von Mohacs. Erst der Bijswijker Friede (1697) ermöglicht dem an-
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l'Abbö (Labbö) (14). Das Unternehmen hat keinen langen Bestand, 1607 ist Hermann
Labbö in München in der herzoglichen Manufaktur des Hans van der Biest tätig, um
Ende 1609 wieder nach Brüssel zurückzukehren. Ob in der Spanne zwischen 1607
und 1613, dem Jahre der Berufung der beiden Brüsseler Wirker Isaac de Hamela und
Melchior van der Hagen, in Nancy Bildteppichwirker tätig waren, wie die Begleitnotiz
eines Stadtplanes von 1611 vermuten läßt, erscheint ohne weitere urkundliche Belege
allzu wenig gesichert (15). Ist Henry Philippe, der Hofwirker Herzog Heinrichs II.
gemeint, dessen Tätigkeit im übrigen mehr den Tapezierarbeiten im heutigen Sinne
gewidmet war? Die einzige Tatsache, die mit einer heimischen Manufaktur in Ver-
bindung gebracht werden könnte, ist der Ankauf, den Franz von Lothringen (der
natürliche Sohn Herzog Karls III.), Abt von Moyenmoutier und Kanonikus des Kölner
Domes, tätigt (16). Wenig geklärt ist der Atelierbetrieb des Arnauld de la Cane, der zu-
gleich das Amt eines Wirkers der Herzogin Margarete (aus dem Hause Gonzaga) bekleidet.
Heinrich II. kommt Isaac de Hamela (du Hamels, du Hamel) und Melchior van der
Hagen in weitem Maße entgegen. Die Wirker, die mit sechs Altgesellen und zahl-
reichem Gesinde in Nancy anrücken, beziehen eine in zwei Baten zahlbare Beihilfe in
Höhe von 450 Franken (17). Die Vertragsdauer läuft auf sechs Jahre; ein größerer Zu-
schuß an Naturalien (Korn) gewährt den Wirkern wesentliche Lebenserleichterung (18).
Die Unterbringung der neuen Manufaktur bereitet Schwierigkeiten; 1616 sind zwecks
Schaffung geeigneter Atelierräume umfangreiche Arbeiten im Bathause im Gange, noch
1624/25 sind die baulichen Veränderungen nicht abgeschlossen. 1616 finden wir den
flämischen Wirker Bernard van der Hameyden (ob aus Brüssel?) im Dienste des
Herzogs. 1617 arbeitet ein Bernard van der Hagen — wohl mit Bernard van der
Hameyden identisch — an einer Geschichte des Holofernes. Von de Hamela und
Melchior van der Hagen ist keine Bede mehr, aller Wahrscheinlichkeit nach dürften
die beiden Meister bereits um 1615 wieder abgewandert sein. Weitere Beträge be-
zieht Bernard van der Hameyden in den Jahren 1618 und 1620. 1621 quittiert Cathe-
rine Suart, die Gattin Meister Bernards, über den Empfang des vertraglich zustehenden
Korns. Die Holofernesfolge wandert als Geschenk des Herzogs an den Herrn de
Bourlemont; über den Verbleib der für die Geschichte der Manufaktur Nancy so be-
deutsamen Behänge ist mir nicht das geringste bekannt. Zwei weitere Serien, die
sich mit dem Namen van der Hameydens in Verbindung bringen lassen, sind die Ge-
schichte des Apostels Paulus und eine Hirtenfolge. Die erste Beihe ist verschollen,
sie steht in keiner Beziehung zu der prächtigen Paulusreihe im österreichischen Staats-
besitz — eine Brüsseler Arbeit des 16. Jahrhunderts, die gleichfalls dem lothringischen
Textilienschatze entstammt —; die zweite, gleichfalls nicht mehr vorhandene Serie ist
wahrscheinlich identisch mit der im Schloßinventar von Viviers (1629) erwähnten
Folge von acht Behängen ude feuillages et bocages". Weitere Arbeiten Meister Ber-
nards, „de belles tapisseries de Nancy", befanden sich im Besitze der Dominikanerinnen
zu Verdun (19). Die Tatsache läßt auf starke private Tätigkeit der herzoglichen
Wirkerkolonie schließen, u.a. nennt dasMobilienVerzeichnis (1621) der „Grand'Maison",
im Eigentum des Grafen de Koeurs, Barons von Manonville, als Folgen von Nancy die
Geschichte Armides, das Leben des Cyrus, die Gärtnerkinder u. a. mehr (20).
Die Manufaktur ist noch 1625 im Betriebe, in ihrem Absätze wirksam unterstützt
durch ein scharfes Einfuhrverbot ausländischer Wirkereien. Die unruhigen Zeiten unter
der Begierung Herzog Karls IV. (seit 1624), der weit mehr Sinn für kriegerische Eska-
paden als für die Förderung heimischen Kunstfleißes bezeugt, bereiten dem jungen
Unternehmen ein unerfreuliches Ende. 1631 flüchtet der Herzog aus Nancy, ein aben-
teuerliches Leben beginnt, einige Wochen nach der siegreichen Schlacht bei der
Konzerbrücke (11. August 1675) segnet Karl IV. das Zeitliche (21). Der Nachfolger
Karl Leopold (Karl V) bleibt auch nach des Oheims Tode in kaiserlichen Diensten;
er befehligt 1683 die zum Ersätze von Wien ausrückenden Beichstruppen, schlägt die
Türken 1685 bei Gran, erobert Neuhäusel und Ofen und erficht 1687 den entschei-
denden Sieg von Mohacs. Erst der Bijswijker Friede (1697) ermöglicht dem an-
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