Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0300
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Literatur

Ein feierlicher Schmaus geht in Szene; mit frohen Worten preist die Jungvermählte ihr schwer er-
rungenes Glück:

„kein • groesser • froide ■ mir ■ werde • kan ■
min ■ liebensten 1 fein ■ ich ■ funden • han • "

Ein Turnier findet zu Ehren des hohen Paares statt, das vom Balkon aus eifrig dem Kampfspiel folgt.
Im Schlußbilde ziehen die Liebenden, auf gemeinsamem Rosse, von Herolden begleitet, am Königshofe
von England ein. Die Mär ist zu Ende.

„in • grossen ■ Kreiden ■ und ■ allen ■ eren •
wellen ■ wir 1 heim ■ zu ■ lande ■ keren • "

58) B. Kurth, a. a. 0. T. 150.

58) Curt Rassek, Der Littauer und die Königin von Frankreich. Zwei Gedichte von Schondoch. Diss. Bres-
lau 1899.

60) Der Inhalt der Geschichte ist kurz folgender:

Die ebenso schöne als tugendhafte Königin von Frankreich wird von dem Marschall durch unziemliche
Liebesanträge belästigt. Sie weist den Unverschämten zurück, der wutentbrannt Rache sucht und findet.
Er legt eines Tages den Hofzwerg neben die ahnungslos schlummernde Herrin und eilt zu seinem
Fürsten, ihm den vermeintlichen Treubruch zu klagen. In grimmigem Zorne tötet der König den Zwerg
und befiehlt die Schuld der Gattin auf dem Flammenstoße zu sühnen. Herzog Leopold von Österreich,
der Bruder des in seiner Ehre so schwer gekränkten Königs, erfleht Schonung für die angeblich Schul-
dige, zum mindesten so lange bis sie dem Kinde, das sie unter dem Herzen trägt, das Leben gegeben
hat. Der Herrscher gibt nach langem Drängen nach. Er läßt seine Gattin in einen Wald bringen; heim-
lich verspricht der Ritter, der sie begleitet, dem Herzog, auch nach der Geburt des Kindes die Ver-
stoßene zu schonen. Der Marschall wittert Verrat; er reitet den beiden nach, erschlägt im Kampfe den
Ritter und verscharrt den Leichnam. Der Königin ist es wie durch ein Wunder gelungen, zu entfliehen.
Nach langem Umherirren erbarmt sich ein Köhler der Ärmsten. Ein Knabe erblickt das Licht der Welt;
ähnlich wie die Prinzessin von Frankreich im Busant, erwirbt sich die jugendliche Mutter durch kost-
bare Wirkereien den Lebensunterhalt. Inzwischen ist der Frevel des Marschalls durch den treuen Hund
des gemordeten Ritters ans Tageslicht gekommen; der Untreue unterliegt im Gottesgericht dem wü-
tenden Tiere; schwer verwundet bekennt er seine Schuld. Der König befiehlt den Elenden aufs Rad
zu flechten und sendet Boten ins Land, die unschuldige, so schmählich verleumdete Gattin zu suchen.

Das Nürnberger Fragment setzt nunmehr ein. Wieder — nach viereinhalb Jahren — weilt der Köhler
in Paris, um köstliches Gewirk zum Verkaufe zu bringen. Der Krämerin fällt der königliche Erlaß ein;
sie glaubt in der jungen Künstlerin die so eifrig gesuchte Königin zu finden und meldet dem Beherrscher
Frankreichs den Vorgang, der sich sofort mit seinem Bruder, dem Herzog, zum Laden begibt, um den
Köhler auszufragen, der nach anfänglichem Zögern bereit ist, die beiden Herren zu der Dame zu führen,
sofern ihr kein Leides geschieht. Die Episode schildert in unmittelbarer Anschauung einen Kramladen
des ausgehenden 15. Säkulums. Das Schaubrett steht auf zwei Stützen, ein Äffchen balanciert mit seiner
Kette an der einen Ecke; im Ladeninnern hängen verschiedene gewirkte Borten oder Gürtel. Unterhalb
des Daches — links vom Fenster — steht die Zahl 92 (1492); im Hintergrund des Ladens erscheinen
zwei Wappen (ein weißer Balken in Rot, ein von Weiß und Blau schräg links geteilter Schild). Im
nächsten Bilde, von der ersten Episode durch einen schmächtigen Baum getrennt, reiten der König
und der Herzog, sie suchen nach der Verlorenen; der Köhler marschiert vorauf. Sie treffen den Sohn,
der mit Pfeil und Bogen sich mit Vogelschießen vergnügt. Als der Junge die Fremden mit seinem
Pflegevater erblickt, rennt er davon. Im blumigen Grün des Bodens steht wiederum ein ungedeutetes
Wappenschild (eine gelbliche Figur [Baum?] in Weiß). Der König hat seine Gemahlin gefunden —
beide tragen die Krone —, die er gerührt umarmt; mißtrauisch und ängstlich hält sich der Knabe am
Rockzipfel der Mutter. Ein festliches Mahl vereinigt die königliche Familie; ein Diener trägt die
Schüsseln zu; die große Schenkkanne am Boden zeigt als Hausmarke das gleiche heraldische Zeichen
wie beim Ausritt. Offene Fensterbögen eröffnen den Ausblick auf Hügel und Burgen. An der werk-
stättlichen Zusammengehörigkeit mit den beiden Busantserien besteht kein Zweifel. Die verirrte Prin-
zessin vor dem Müller (ehemalige Sammlung Figdor) trägt genau das gleiche Brokatgewand wie die
Heimreisende (im Germanischen Nationalmuseum) oder die Schlafende (im Kölner Kunstgewerbe-
museum); in allen Fällen ist die Farbe des Kleides ein sattes Rot. Entsprechende Parallelen lassen
sich, was Details und Pflanzenwuchs anbelangt, zu Dutzenden aufstellen.

61) B.Kurth, a.a.O. T. 140.
M) B.Kurth, a.a.O. T. 141a.

6S) R. F. Burckhardt, Uber einige Heidnischwerktücher im Historischen Museum zu Basel: „Die Ernte" 1929

(S. 60, farbige Wiedergabe).
"4) „min • zit ■ (hab ich der) weit ■ gegeb(e)n 1

nuon • mus ■ ich • hie ■ im • eilenden ■ leben •

o • wie • d(raurig) ■ "
85) J. Kindler von Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch, Bd. I, S. 264.
6") Nach dem Dorfe Dunzenheim im Landkreise Straßburg genannt.

67) B. Kurth, a. a. O. T. 152.

68) Die Farben — ein weißer Stern in Rot über Weiß geteiltem Schild — stimmen mit dem Wappen der
Zorn insofern nicht überein, als das Hoheitszeichen der Familie Rot über Gelb (nicht über Weiß) geteilt
ist; es handelt sich augenscheinlich um einen Wirkfehler.

69) B.Kurth, a.a.O. S. 133.

70) Der König befiehlt: „duo ■ bersuwc ■ mine ■ wille ■ offe ■ bor ■

sag • ir • vö ■ myr • min ■ meinong • gar ■ "

Der Bote spricht:

„so • holt • wart ■ wibes ■ bild • nye ■ kein ■ man ■
alz ■ uch • min • her • er ■ wil ■ uch ■ han • "

286
 
Annotationen