Frankfurt a. M. Mainz. Hessen. Mainfranken
sig gelösten Arbeit kaum in Frage kommen. Jedenfalls sind eingewanderte niederländische
Wirker mit Brüsseler Schulung die Verfertiger. Die Erzählung rollt sich in dem 81/2 m lan-
gen Behang in einer Reihe lebhaft gezeichneter Bilder ab, nur flüchtig hie und da durch Blü-
tenstauden getrennt. Eine zweizeilige Unterschrift (Antiqua), die die untere Bordüre ersetzt,
erzählt in der Frankfurter Mundart15) des ausgehenden 15. Säkulums die seltsame Mär.
Rechts vom Wappen erscheint auf der schmalen oberen Kante, in ganz ungewöhnlicher
Weise ein Teil des Textes (Hintergrundszenen), der in der unteren Bordüre, wenig ge-
schickt verteilt, je nach dem Umfang des Bildmotivs sich dehnt oder scharf zusammen-
drängt16) .
Die Zeichnung der auf Tiefenwirkung eingestellten Bauten ist ebenso einfach wie klar.
Sie scheinen unmittelbar deutschen oder italienischen Architekturwerken entnommen zu
sein. Gewisse Einzelheiten erinnern an die Holzschnitte des in Nürnberg am 23. Novem-
ber 1546 verstorbenen Peter Flettner — Tafel des Apelles —; der Stil der Figuren mahnt
stark an die Schule des seit 1531 in Frankfurt tätigen — Bürgerrecht seit 1540, gestorben
am 21. November 1550 — Sebald Beham. Auf den Meister selbst geht die Vorzeichnung
wohl kaum zurück, wenngleich auffällige Übereinstimmungen —- z. B. in den Einblatt-
Holzschnitten „Fest der Herodias", „Geschichte vom verlorenen Sohn", „Lukretia" (der
gleiche Quastenvorhang, wie in der Zimmerszene des Teppichs, rechts) usw. — nicht zu
verkennen sind.
Die Brüsseler Technik verrät sich klar in der Behandlung des Laubwerkes, in der Er-
fassung der Pflanzen, der Schraffenlegung der Gewänder, der Behandlung des Inkarnats.
Die Farbenpalette — rot, blau, braun, grün, grauweiß — geht stark mit dem Mespelbrun-
ner Familienteppich (Abb. 5) zusammen, der keiner Frankfurter, eher einer hessischen
Manufaktur seine Entstehung verdankt. Möglicherweise kommt die Bergstraße, in erster
Linie Bensheim, in Betracht, wo die Echter von Mespelbrunn Besitzungen hatten. Das von
Velten (Valentin) Echter von Mespelbrunn und seiner Gattin Ottilie, aus dem Frankfurter
Geschlecht der Holzhausen, in Bensheim errichtete Haus zählt noch heute — abgesehen von
dem völlig veränderten Erdgeschoß — zu den besten Arbeiten hessischer Fachwerkkunst17).
Der riesige Teppich mißt in der Höhe 3,35 m, in der Länge 7,85 m, er hing — März 1932
zum Verkauf gestellt — im großen Saale des Schlosses Mespelbrunn (Spessart); die Zeit
der Entstehung ist in das Jahr 1564 zu verlegen. Die alte Überlieferung, Frauen des Hauses
Echter hätten den Behang gewirkt, ist nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, wenn-
gleich die Brüsseler Technik darauf hindeutet, daß ein eingewanderter Niederländer die
Hauptrolle spielte und die adeligen Damen nur eine Art Hilfsstellung einnahmen. Wie dem
auch sei, die Arbeit steht von rein bildwirkerischem Standpunkt aus dem Behang vom
ungetreuen Marschall keinesfalls nach. Der Aufbau an und für sich ist, der Eigenart eines
Familienbildes angepaßt, in der ausgesprochenen Symmetrie etwas langweilig. Der Del-
phinbrunnen in der Mitte des Teppichs wird von zwei Schriftbändern in Antiquaschrift
umrahmt. „Liebe Kinder das ist mein Gebot, meidet Schandt und forchtet Got" spricht der
Familienvater Peter Echter. Seine Gattin Gertraut mahnt: „Sucht... (es fehlt an der Mit-
telnaht ein kleines Stück) stlicker Standthaftigkeit behuet alhie vor Schandt dort vor ewi-
gem Leidt."
Wie die Orgelpfeifen bauen sich rechts Peter Echter „der Kindervattr", 43 Jahre alt, mit
den fünf Söhnen, links Gertraut Echterinn mit den vier Töchtern auf. Für den patriarcha-
lischen Sinn der Familie spricht links das Erscheinen (im Gartentor) des Knechtes Michel
Vetterer, „aller Echter Diner"; rechts nimmt die treue Magd Critina Aufstellung. Auf Peter
Echter folgen, durch Schriftbänder gekennzeichnet, Adolphus Echter, alt 21; Julius Ech-
ter, alt 19 (geboren 1545, der spätere berühmte Würzburger Fürstbischof), Sebastian Ech-
ter, alt 18; Valentin Echter, alt 14 (der Erbauer des Bensheimer Hofes) und Theodericus
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sig gelösten Arbeit kaum in Frage kommen. Jedenfalls sind eingewanderte niederländische
Wirker mit Brüsseler Schulung die Verfertiger. Die Erzählung rollt sich in dem 81/2 m lan-
gen Behang in einer Reihe lebhaft gezeichneter Bilder ab, nur flüchtig hie und da durch Blü-
tenstauden getrennt. Eine zweizeilige Unterschrift (Antiqua), die die untere Bordüre ersetzt,
erzählt in der Frankfurter Mundart15) des ausgehenden 15. Säkulums die seltsame Mär.
Rechts vom Wappen erscheint auf der schmalen oberen Kante, in ganz ungewöhnlicher
Weise ein Teil des Textes (Hintergrundszenen), der in der unteren Bordüre, wenig ge-
schickt verteilt, je nach dem Umfang des Bildmotivs sich dehnt oder scharf zusammen-
drängt16) .
Die Zeichnung der auf Tiefenwirkung eingestellten Bauten ist ebenso einfach wie klar.
Sie scheinen unmittelbar deutschen oder italienischen Architekturwerken entnommen zu
sein. Gewisse Einzelheiten erinnern an die Holzschnitte des in Nürnberg am 23. Novem-
ber 1546 verstorbenen Peter Flettner — Tafel des Apelles —; der Stil der Figuren mahnt
stark an die Schule des seit 1531 in Frankfurt tätigen — Bürgerrecht seit 1540, gestorben
am 21. November 1550 — Sebald Beham. Auf den Meister selbst geht die Vorzeichnung
wohl kaum zurück, wenngleich auffällige Übereinstimmungen —- z. B. in den Einblatt-
Holzschnitten „Fest der Herodias", „Geschichte vom verlorenen Sohn", „Lukretia" (der
gleiche Quastenvorhang, wie in der Zimmerszene des Teppichs, rechts) usw. — nicht zu
verkennen sind.
Die Brüsseler Technik verrät sich klar in der Behandlung des Laubwerkes, in der Er-
fassung der Pflanzen, der Schraffenlegung der Gewänder, der Behandlung des Inkarnats.
Die Farbenpalette — rot, blau, braun, grün, grauweiß — geht stark mit dem Mespelbrun-
ner Familienteppich (Abb. 5) zusammen, der keiner Frankfurter, eher einer hessischen
Manufaktur seine Entstehung verdankt. Möglicherweise kommt die Bergstraße, in erster
Linie Bensheim, in Betracht, wo die Echter von Mespelbrunn Besitzungen hatten. Das von
Velten (Valentin) Echter von Mespelbrunn und seiner Gattin Ottilie, aus dem Frankfurter
Geschlecht der Holzhausen, in Bensheim errichtete Haus zählt noch heute — abgesehen von
dem völlig veränderten Erdgeschoß — zu den besten Arbeiten hessischer Fachwerkkunst17).
Der riesige Teppich mißt in der Höhe 3,35 m, in der Länge 7,85 m, er hing — März 1932
zum Verkauf gestellt — im großen Saale des Schlosses Mespelbrunn (Spessart); die Zeit
der Entstehung ist in das Jahr 1564 zu verlegen. Die alte Überlieferung, Frauen des Hauses
Echter hätten den Behang gewirkt, ist nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, wenn-
gleich die Brüsseler Technik darauf hindeutet, daß ein eingewanderter Niederländer die
Hauptrolle spielte und die adeligen Damen nur eine Art Hilfsstellung einnahmen. Wie dem
auch sei, die Arbeit steht von rein bildwirkerischem Standpunkt aus dem Behang vom
ungetreuen Marschall keinesfalls nach. Der Aufbau an und für sich ist, der Eigenart eines
Familienbildes angepaßt, in der ausgesprochenen Symmetrie etwas langweilig. Der Del-
phinbrunnen in der Mitte des Teppichs wird von zwei Schriftbändern in Antiquaschrift
umrahmt. „Liebe Kinder das ist mein Gebot, meidet Schandt und forchtet Got" spricht der
Familienvater Peter Echter. Seine Gattin Gertraut mahnt: „Sucht... (es fehlt an der Mit-
telnaht ein kleines Stück) stlicker Standthaftigkeit behuet alhie vor Schandt dort vor ewi-
gem Leidt."
Wie die Orgelpfeifen bauen sich rechts Peter Echter „der Kindervattr", 43 Jahre alt, mit
den fünf Söhnen, links Gertraut Echterinn mit den vier Töchtern auf. Für den patriarcha-
lischen Sinn der Familie spricht links das Erscheinen (im Gartentor) des Knechtes Michel
Vetterer, „aller Echter Diner"; rechts nimmt die treue Magd Critina Aufstellung. Auf Peter
Echter folgen, durch Schriftbänder gekennzeichnet, Adolphus Echter, alt 21; Julius Ech-
ter, alt 19 (geboren 1545, der spätere berühmte Würzburger Fürstbischof), Sebastian Ech-
ter, alt 18; Valentin Echter, alt 14 (der Erbauer des Bensheimer Hofes) und Theodericus
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