Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0017

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Frankfurt a. M.

Mainz.

Hessen. Mainfranken

b) Erhaltene Arbeiten.

Zu den wertvollsten Behängen deutscher Wirkerkunst, die mit Mainz oder Frankfurt in
Verbindung zu bringen sind, zählt die Geschichte der keuschen Susanna — um 1500 ent-
standen (H. 1,30 m, L. 5,60 m) — im Schloßmuseum zu Berlin. Der Teppich fand bereits
als Mainzer Arbeit des endenden 15. Säkulums eingehende Besprechung11). Dem gleichen
Kreise — Frankfurt oder Mainz — entstammt die Geschichte des verlorenen Sohnes — da-
tiert 1517 — im Kaiser-Friedrich-Museum zu Berlin (Abb. la, b; 2a). Die Erzählung rollt
sich unter enger Anlehnung an die biblische Legende in acht Bildern ab. An den Hausbuch-
meister erinnern die immer wiederkehrenden Hunde, die krausen, wild verschlungenen
Spruchbänder und die lebhafte Gestaltung der Erzählung. Im übrigen teilt der Entwerfer
mit dem Hausbuchmeister nur allgemeine Stileigentümlichkeiten. Die hohen, schlanken
Frauengestalten stehen in merkwürdigem Gegensatze zu den meist plumpen Figuren der
Männer mit den schweren Röcken und den klobigen Stiefeln12). An die Mainzer Technik er-
innert in erster Linie die Lösung der Flora mit dem geschwungenen Gras und den saftigen
Blütenstauden, das Laub geht weitgehend mit den früchtebeladenen Bäumen des Susanna-
behanges zusammen. Die niederländische Technik hat die alte Methode völlig verdrängt,
die Schraffenbildung ist ganz der Brüsseler Methode angepaßt, entsprechend ist die Wolle
in den Lichtern durch Seide ersetzt. Daß es sich aller Voraussicht nach um eine Frankfurter
Arbeit handelt, beweist ein kleines Fragment in der Berliner Kunsthandlung Margraf & Co.
(Abb. 2b). Eine Frau, die unmittelbar der Geschichte vom verlorenen Sohn entlehnt sein
könnte, hält das Wappenschild des Frankfurter Geschlechtes der Mettenheim. Das Bruch-
stück trägt die Jahreszahl 1514. Die Hausmarke ® auf der Kruppe des letzten Pferdes
(2. Bild) ist vielleicht als Wirkersignatur zu deuten (Abb. 2 b, s. Markentafel Nr. 1).

Einer mittelrheinischen, aber sicher nicht in Mainz oder Frankfurt stationierten Werk-
statt entstammt der um die gleiche Zeit entstandene Jerobeamteppich im Besitze des Für-
sten von Waldburg-Wolfegg-Waldsee auf Schloß Wolfegg. Der Behang, der am unte-
ren Rand 16 Wappen mittelrheinischer und hessischer Geschlechter mit beigefügten Na-
men — Waldeck, Bock, Sickingen, Dalberg usw. — trägt, hat mit dem Susannenteppich
und der Geschichte des verlorenen Sohnes die wildgeschwungenen Spruchbänder, die ge-
flammten Formen der Grasbüschel, die starken üppigen Dolden gemeinsam; stark abwei-
chend ist die Durchbildung des Himmels, der in den übereinander geschachtelten, gelapp-
ten und geschwungenen Wolkenmassen einer unruhigen, zerrissenen Gewitterstimmung
ähnelt. Die Figurengruppen knäueln sich wirr, die Form der Erzählung ist unklar, die
Technik steht stark unter dem Einfluß der Niederlande, speziell unter dem Tournais. Daß
der Behang in Tournai selbst entstanden ist, halte ich jedoch für ausgeschlossen.

Mittelrheinischen klösterlichen Ursprungs ist ein ziemlich schlecht erhaltenes Rück-
laken im Amsterdamer Museum voor Geschiedenis en Kunst13) mit Episoden aus dem Le-
ben der Madonna (H. 0,755 m, L. 2,11 m). Als Material dient Wolle, die Stickerei findet bei
der Wiedergabe der Augen usw. Anwendung. Zeichnung und Technik des um 1520 ent-
standenen Behanges sind ziemlich primitiv. Die Tatsache, daß die die einzelnen Szenen
erläuternden Inschriften in Spiegelschrift erscheinen, beweist unzweideutig, daß es sich
um eine wenig achtsame Wirkerin am tiefschäftigen Gezeug handelte.

Zu den besonders charakteristischen Behängen zählt der wahrscheinlich in Frankfurt
entstandene Teppich, datiert 1554, mit der Geschichte vom ungetreuen Marschall und dem
treuen Hunde — es handelt sich um die gleiche Legende wie in dem Elsässer Stück von
149214) — im Besitze der New Yorker Kunsthandlung P. W. French & Co. (Abb. 3, 4, 2'10"
XI7'11"). Leider gelang es mir nicht, die beiden vom Kranze umrahmten Allianzwappen
einwandfrei zu deuten. Ein Erzeugnis häuslichen Fleißes dürfte bei der technisch erstklas-

3
 
Annotationen