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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0016

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Frankfurt a. M. Mainz. Hessen. Mainfranken

Hinweise auf Patrizier- und Klöster-Werkstätten finden sich hie und da in urkundlichen
Belegen. Um 1500 unterhalten Frau und Schwägerin des Goldschmiedes Hans Michelbach
einen Wirkereibetrieb2). Die Töchter des 1510 verstorbenen Claus Schit (Scheid) — eines
der reichsten Bürger Frankfurts — sind geschickte Bildwirkerinnen. Das Nachlaßinventar
erwähnt: „In der neuen Kammer: zwei gewirkte Tücher, alle bei mit Herculis Historia hat
Anna (eine Tochter des Großkaufmanns) gewirkt. Eine Lade darin Wirkgarn und Wirk-
seide. Noch eine Lade darin: drei große Bildener (Kartons) von Herculis und Reimbildener.
Vier Kissenziechen-Bildener. Zwei Stränge Zittelgarn. Ein Sack mit allerlei Wirkgarn. Acht
Stränge Ulmer Gold. Zehn Stränge Ulmer Silber. Fünf Überzüge hat Margareta (eine zweite
Tochter) gewirkt"3). Die Arbeiten dürften um die Wende des 15. Jahrhunderts entstan-
den sein.

Wie lang die Hauskunst blühte, steht dahin. Aller Wahrscheinlichkeit nach findet sie mit
der Einwanderung der flämischen Wirker ihr Ende.

Die bedeutsamste Werkstatt betreibt Arnold Gipps „Würcker von Brüssel". Er gehört
1587 zu den höchstbesteuerten Einwohnern der Stadt4). Die Musterrollen der Bürger ver-
zeichnen 1586 und 1589, soweit das Textilgewerbe in Frage kommt, nur einen Wirker
— den oben genannten Gipps —■, dagegen 188 „Passamentierer"5). Trotzdem lassen sich
noch verschiedentlich Tapissiers in Frankfurt nachweisen; Steffen Ernst, „Teppichweber",
ist seit 1542 ansässig. Unter dem 6. Februar 1548 heiratet der „Decklacker Steff. Ernst" die
Dorothea Singer. Die Berufsbezeichnung des Meisters wechselt dauernd, an anderer Stelle
(Taufbuch) wird er als Decktucher bezeichnet. Handelt es sich überhaupt um einen Wir-
ker im eigentlichen Sinne? Isaak Stamm von Bamberg wird 1584 in das Bürgerbuch
(f. 331) eingetragen, er führt die Berufsbezeichnung „Teppichmacher", war also wohl
Tapissier6). Zweifel erweckt die „Ordnung der Hosenstricker, Teppich- und Barettmacher"
(Ende des 16. Jahrhunderts), die die Möglichkeit offen läßt, daß die Teppichmacher sich
nicht des Wirk-, sondern des Strick Verfahrens — also ähnlich wie in Schlesien, im Elsaß,
in Berlin usw. — bedienten7). Joos de Mollier, der Ende 1591 von Wesel nach Frankfurt
übersiedelt, aber nur ein halbes Jahr in der Stadt bleibt, um sich dann in Frankenthal
niederzulassen, war Wirker8).

In Verbindung mit Wandteppichankäufen werden öfters Frankfurter genannt — noch
häufig im 17. Jahrhundert —, die Nachforschungen brachten mir leider stets Enttäuschun-
gen, es handelte sich um Schneider, Kaufleute usw., nie um Wirker9).

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die häusliche Bildwirkerei in den ersten Jahr-
zehnten des 16. Jahrhunderts einen bedeutsamen Umfang besessen haben muß; daß die
niederländische Einwanderung sporadische Ansiedlungen zur Folge hatte, die in der Werk-
statt des Gipps ihren Höhepunkt erreichten, daß mit dem endenden 16. Säkulum die Frank-
furter Betriebe — schon infolge der scharfen Konkurrenz von Frankenthal und Heidel-
berg — ihrem Niedergang entgegengingen, um bald völlig zu erlöschen.

In Mainz — überhaupt am Mittelrhein — lagen die Verhältnisse kaum günstiger. Die rie-
senhaften Ankäufe, die Kardinal Albrecht, aus dem Hause Hohenzollern, in den Nieder-
landen durch seinen nicht immer ehrlichen Vertrauensmann Hans Schenitz machen ließ10),
dürften kaum die einheimischen Werkstätten gefördert haben.

Die einzige, von einem Flamen in den Jahren von 1571—1586 betriebene bedeutsame
Werkstatt ist die des Peter Fels (Volz), der am 9. August 1587 dem Frankenthaler Rat sein
Niederlassungsgesuch unterbreitet.

Die Heimwirkerei in den Adelshöfen am Mittelrhein und in den heutigen Provinzen
Starkenburg und Rheinhessen dürfte — namentlich in dem Gebiet der Bergstraße — noch
im zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts geblüht haben.

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