Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0019
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Frankfurt a. M. Mainz. Hessen. Mainfranken

Echter, alt 10 (Jahre). Die Töchter heißen Margreta (alt 15 Jahr), Maria, geborn 52, ver-
schieden 57, Magdalena (alt 9) und Cordula, 5 Jahre alt.

Das Gartengeländer mit den Kugelpfosten ist malerisch mit Rosengerank umsponnen,
vereinzelt stehen im Vordergrund blühende Büschel, zu Füßen Peter Echters ruht sein
Hund, links vergnügen sich zwei Kaninchen an der Erdhöhle. Eine bergige Landschaft mit
Burgen schließt das Bild, von den Ahnenwappen des Hauses Echter überdeckt18); in den
Wolken schweben, nur noch in dem unteren Teil erhalten — es fehlen etwa 40 cm — die
Gestalten der Dreieinigkeit, von Engeln umgeben. Die Farbengebung zeigt, wie auch bei
dem vorbesprochenen Behang, die typische niederländische Palette. Die Blätter z. B. sind
im Schatten dunkelgrün, im Licht gelbweiß. Der Brunnen ist in den hellen Stellen gelb-
weiß, in den dunklen Lagen braun, teilweise rot schraffiert. Bretter und Tore sind gelb-
braun. Eine glänzende Technik verrät die Wiedergabe der Gewänder. Peter Echter trägt
Mantel und Barett aus dunkelblauem, weiß gefüttertem Samt, ein schwarzbraun gestreiftes
Wams mit gelben, rot schattierten Ärmeln. Sehr dekorativ wirkt der lichtbraune Brokat-
mantel des Sohnes Adolph mit dunkelbraunem Granatapfelmuster im Gegensatz zu den
weißen Trikots und dem dunkelblauen, gelb gestreiften Wams und Hosen. Julius Echter
trägt einen merkwürdigen Mantel aus blauem Schuppensamt (im Licht weiß), lichtbraune
Trikots, ein Wams aus rostbraunem Samt. Die jüngsten Söhne begnügen sich mit einfache-
ren Kostümen. Michel Vetterer prangt in feuerrotem Wams mit gelben Lichtern, blauem,
weiß gehöhtem Mantel und gelbem Hut; er hält in der Hand einen Brief mit der Zahl 5
(wohl auf die fünf Echter-Söhne bezüglich).

Mutter Gertraut, ein schwarzes Gebetbuch in der Hand, trägt ein Prunkkleid aus dunkel-
blauem Samt von weiß gelichteten Rosetten übersponnen, dazu einen graugelben Brustein-
satz mit gelben Streifen, rötlich braune Unterärmel und eine goldrote Haube. Die älteste
Tochter wählte ein nicht minder kostbares graubraunes Gewand mit goldbraunem Granat-
apfelmuster (mit Krone), weißgelbe Borten am Rock, gelbe Unterärmel, dazu ein goldbrau-
nes Haarnetz und einen dunkelblauen Federhut. Wesentlich einfacher sind die Kostüme der
drei jüngsten Mädchen19). Die Magd — in der Hand ein dunkelblaues Gebetbuch — be-
gnügt sich mit einem braunen Kleid, einer Schürze und einem dunkelblauen Brusttuch.

Handelte es sich bei den vorbesprochenen Behängen um hochwertige Erzeugnisse, so
zeigt ein langes, niedriges Rücklaken, datiert 1540, das 1931 aus der Sammlung Nemes in
den Besitz der Münchener Kunsthandlung L. Bernheimer überging (Material: Wolle und in
geringem Maße Goldfäden, Abb. 6, H. 0,81 m, L. 3,90 m)20), durchaus das Gepräge häus-
lichen Fleißes. Das altbeliebte Thema der Weiberlisten wird in sechs Bildern ausgespon-
nen: Ahasver und Esther, Susanna und die Alten, Bathseba (Salomos Götzendienst), Judith
mit dem Haupte des Holofernes, Simson und Delila, Adam und Eva. Die Szenen sind ziem-
lich willkürlich aneinandergefügt. Die eingewirkten Wappen — von Sickingen, Kämmerer
von Dalberg, von Broemser, von Mier, von Ehinger, Closenberger von Vrisheim, von Wen-
delstein — sind in der Mehrzahl Hoheitszeichen mittelrheinischer Geschlechter; wahr-
scheinlich handelt es sich um die Ahnenprobe eines Sickingen.

Die Figuren sind mitunter verzeichnet; die Technik ist ungeschickt und dilettantisch, die
Textur ziemlich grob. Das schwache Können der Wirkerin wird durch Details — Häuser-
gruppen, Plattenbelag, Baumschlag usw. —, die den freibleibenden Raum decken, zu ver-
schleiern gesucht. Wahrscheinlich diente ein Einblatt-Holzschnitt in der Art der St.-Chri-
stophorus-Legende des Hans Schäufelein als Vorlage. Daß die Wirkerin zugleich Stickerin
— ob eine bessere? — war, beweist die sachkundige Behandlung des Kopfkissens, des
Überlakens — siehe den Saum — und der Tischdecke in dem Gemache des (enthaupteten)
Holofernes.

Der Entstehungsort dürfte in der hessischen Bergstraße zu suchen sein, wo sowohl die

5
 
Annotationen