Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0026
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Frankenthal

(Jan Rynout), „Schilder van Brüssel", Gelein van Melhem (1586, Müllem, Mulhelm, 1542
in Oudenaarde geboren)62), Jan Cornelisz van Delft (Protokoll vom 1. Mai 1588), den uns
bereits bekannten Jan van den Bossche aus Brüssel (Prot, vom 22. Juli 1588), Everard Mo-
linaerts (1588, 1590), Laurents de Munter (bis 1609), Peter Schlumberg (1598), Jacob van
der Borcht (1581 geboren) und Hendrik van der Borcht d. Ä. (1611). Nicht einer der ge-
nannten Meister läßt sich mit Sicherheit mit einem Frankenthal zuzuweisenden Bildtep-
pich in Beziehung bringen. Der 1614 in Frankenthal getaufte jüngere Hendrick van der
Borcht scheidet schon aus zeitlichen Gründen aus, das gleiche gilt von Franz Gogel und
Jan Vaillant (1630 in Lille geboren).

Die Versuchung liegt nahe, an den Hauptvertreter der Frankenthaler Malerschule, Gillis
van Coninxloo, als den Cartonier der Bildwirker Frankenthals zu denken, zumal der Mei-
ster zu Everard van Orley, dem führenden Wirker, in verwandtschaftlichen Bindungen
steht; es ist mir bislang trotz eingehender Vergleiche nicht gelungen, einen Teppich mit
den bekannten Werken des Künstlers in Beziehung zu bringen. Nicht anders liegen die Ver-
hältnisse bei Peter Schoubroeck und Anton Mirou.

b) Erhaltene Arbeiten.

Den einzig sicheren Anhaltspunkt gewährt lediglich der Stuttgarter Saulteppich, der im
Entwürfe auf die Brüsseler Tätigkeit des Nikolaus van Orley zurückgeht und voll und ganz
das typische Gepräge niederländischer Spätrenaissance verrät (Abb. s. Teil I, 2, 380, 381).
Von wesentlicher Bedeutung ist ferner die Tatsache, daß den de Carmes noch zahlreiche
Kartons aus der Heimat zur Verfügung standen. Mit dem Stuttgarter Saulteppich stilistisch
verwandte Behänge gehören nicht zu den Seltenheiten. Ein interessantes Stück, das im
Mittelbild zweifellos auf den gleichen Patronenzeichner, d. h. Nikolaus van Orley, zurück-
geht, besaß die Berliner Kunsthandlung Margraf & Co. (H. 3,40 m, L. 5,31 m). Seltsam ste-
chen der hochgezogene, zweifellos spätere Hintergrund und die im Sinne des endenden
16. Jahrhunderts gelöste Bordüre von der akademischen Schlachtendarstellung ab. Der
Teppich dürfte um 1580 in dem Frankenthaler Betriebe des Moritz de Carmes entstanden
sein. Im übrigen läßt sich mit Sicherheit annehmen, daß die Frankenthaler Patronenmaler
— in der Hauptsache aus Brüssel und Oudenaarde gebürtig —, zum mindesten in der Zeit
von 1562—1585, schwerlich von der altgewohnten Technik und Malweise abwichen; d. h.
die Frankenthaler Bildteppiche dieser Periode tragen in der Regel das Gepräge der Brüsse-
ler Behänge. Die „Darbringung des Böckleins", ein Rücklaken im Besitze der Münchener
Kunsthandlung L. Bernheimer (Abb. 11, H. 1,07 m; L. 2.24 m), schildert, technisch und sti-
listisch, im Sinne des Stuttgarter Saulteppichs. Im Gegensatze zu den niederländischen
Figuren des Mittelbildes stehen links St. Franziskus von Assisi mit den Malen der Stigma-
tisation, Buch und Kreuz in den Händen, rechts St. Clara mit Lilie und Bibel, die ihre Ab-
stammung von mitteldeutschen bzw. schwäbischen Holzschnitten nicht verleugnen.

Ein Signierungszwang, ähnlich wie in den niederländischen Wirkerzentralen, bestand
augenscheinlich in Frankenthal nicht; die Zuschreibung der Behänge — abgesehen von den
durch Dokumente und Wappen gesicherten Stuttgarter Teppichen — bleibt mehr oder
minder problematisch.

Für Frankenthal kommen in erster Linie die neun kleinen metalldurchwirkten Teppiche
im Bayerischen Nationalmuseum in Frage. Sie schildern zum Teil (5 Behänge) Episoden
aus den Ovidschen Metamorphosen, insbesondere Szenen aus dem 10. Buch — Orpheus
wendet den Blick nach der aus dem Tartarus aufsteigenden Eurydike63), der Hirsch, des
Cyparissus64) (Abb. 12a), Verwandlung der Myrrha und Geburt des Adonis65), Venus und
Adonis66) (Abb. 12b), das Ende des Orpheus67) —; vier Teppiche bringen Tierbilder —

12
 
Annotationen