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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0025

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Frankenthal

von Bedeutung, als die Serie der „Poeterei" mit starker Gewißheit mit den uns im Bayeri-
schen Staatsbesitz (Bayer. Nationalmuseum) noch erhaltenen Kleinteppichen mit Motiven
aus den Ovidschen Metamorphosen — im damaligen Sprachgebrauch vielfach als Poeterei
bezeichnet — in Verbindung zu bringen ist. 1611 ist der Wirkereibetrieb in Frankenthal
auf einem derartigen Tiefstand angelangt, daß Pieter de Waier (Wayere)51) sich mit Fort-
zugsgedanken trägt, die allerdings nicht in die Tat umgesetzt werden. Schon zuvor finden
sich hie und da Abwanderungsversuche — auf die Kündigungen des Bürgerrechts wurde
bereits hingewiesen —; von größerem Interesse sind die Verhandlungen (1603) Herzog
Maximilians mit Dietrich Vouters, einem aus Brüssel gebürtigen — „Dietrich Vou-
ters, van Prüssl" —, in Frankenthal ansässigen Meister52). Merkwürdigerweise findet
sich der Name weder in den Tauf- und Sterberegistern noch in den Ratsprotokollen
der Stadt. Dagegen erscheint seit 1599 recht häufig ein Gillis Wouters; sein Ab-
leben fällt vor 161353). Die starke Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß Dietrich
Vouters (Walter) mit Gillis Wouters identisch ist; ein Wynand Wouthers findet bereits
1592 (15. Juli) Erwähnung, ein Hans Wouters erscheint 1597. Die Vorverhandlungen füh-
ren zu einem gewissen Abschluß; am 29. Juni 1603 trifft der Meister mit zwei Gesellen in
München ein54). Die Reisekosten belaufen sich auf 50 Gulden 22 Kreuzer. Der Wirker bit-
tet unter dem 12. September den Herzog um Rückerstattung des Betrages sowie um Über-
weisung des ihm zustehenden Jahresgehaltes in Höhe von 175 Gulden; die Besoldungsfrage
ist noch am 5. November nicht endgültig geklärt55). Die Arbeit in München beginnt. Das
Rohmaterial wird aus Frankenthal bezogen, als Lieferant erscheint der uns bekannte Pie-
ter de Waeyere56). Das Unternehmen schlägt nicht ein; bereits im darauffolgenden Jahre
steht der Herzog in Verhandlung mit dem Enghiener Wirker Jan van der Biest. Von dem
Meister (Vouters) stammt wahrscheinlich auch der Teppich „mit khlainer jhaiderei und
allein Wullen", den Maximilian I. im März 1603 in Auftrag gibt.

Möglicherweise ist der „tapetzier von Frankenthal", der am 23. Oktober 1612 in Nürn-
berg mit dem Rate der Stadt „wegen bezirung der regimentsstuben" verhandelt, mit Gil-
lis Wouters identisch57). Dem Preise nach zu urteilen (7 fl. für die brabantische Elle),
dürfte es sich um heraldische Wirkereien gehandelt haben. Das Verlangen des Wirkers, der
Rat solle die Kosten für die erforderlichen Patronen übernehmen, bringt den Auftrag zum
Scheitern.

Über die späteren Betriebe des Johann van Lenenhoven und des Peter de Lemberg ist
nichts Näheres bekannt. Dem aus Heidelberg eingewanderten „Tappezierer Jost von Kenss"
wird 1625 eine Tochter getauft. Unter dem 13. April 1636 erwähnen die Ratsprotokolle
einen Wirker oder Händler Jacomin Pirot58); die Familie der Pirot, die mit dem späteren
Würzburger Meister in Verbindung zu bringen sein dürfte, findet sich häufig in den Fran-
kenthaler Urkunden; bereits 1593 figuriert ein Pirott als Gerichtsherr59). Fassen wir das
Ergebnis auf Grund des dokumentarischen Materials kurz zusammen, so läßt sich mit
Sicherheit feststellen, daß die Blütezeit der Bildwirkerei Frankenthals 1565 einsetzt, mit
starken Schwankungen sich bis etwa 1625 behauptet, um dann zu einer bedeutungslosen
Kleinmanufaktur herabzusinken.

Wenden wir uns der Malerkolonie zu, die den Wirkern zur Verfügung stand, so lassen
sich mit Gewißheit folgende Namen mit dem Bildwirkereibetrieb in Verbindung bringen:
Für die Werkstatt der de Carmes arbeiten außer dem uns aus Stuttgart bereits bekannten
Nikolaus van Orley aller Wahrscheinlichkeit nach auch Daniel de Weerdt (zum ersten
Male am 17. Februar 1566 erwähnt), der Brüsseler Landschafter Joos van Liere (unter dem
24. Juni 1574 als Einwohner aufgenommen)60) und der Freund vanOrleys, Jan de Witte81).
Im übrigen erscheinen noch des öfteren Malernamen in den Urkunden der Stadt, wobei es
allerdings zumeist bei trockenen Daten bleibt. Wir finden (1573—1585) Hans Reynault

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