Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0155
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
D a n z i g. Marienburg

Ferdinand de Vergara (der ursprünglich flämische Name ist romanisiert) arbeitet um
1600 in der in Neu-Kastilien gelegenen kleinen Stadt Pastrana, der Residenz der gleich-
namigen Herzöge. Er läßt sich 1603 in Brüssel nieder und gibt an, daß er sein Können als
Wirker in Danzig und Antwerpen erworben habe58).

Das Bild gewinnt an Farbe mit dem Erscheinen des Peter Spierincx, eines Sohnes des
bekannten Delfter Wirkers Franz Spierincx. Das Atelier hat große Lieferungen für den
König von Schweden, Gustav Adolf. Meister Peter fährt des öfteren nach Schweden, er ge-
nießt bei dem Herrscher hohes Ansehen59). Weniger geklärt sind seine Beziehungen zu
Danzig. Tatsache ist jedenfalls, daß er 1614 aus einer Danziger Erbschaft 15 000 Dukaten
beansprucht, die ihm durch den polnischen Bevollmächtigten unter den verschiedensten
Ausflüchten verweigert werden. Peter Spierincx (Spiring in den Danziger Akten) wendet
sich beschwerdeführend an den König von Schweden, der mit scharfen Maßnahmen droht
und die Repressalien 1626 in die Tat umsetzt. Die Schweden belegen Danziger Schiffe mit
Beschlag; Peter Spierincx rüstet eine eigene Kaperflotte aus, um sich an den Danzigern
schadlos zu halten. Der eigenartige Kriegszustand dauert bis 1635; Meister Peter bekommt
endlich (1647) seine Dukaten60). Die Episode füllt ein dickes Aktenbündel mit mehreren
persönlichen Schreiben Gustav Adolfs. Der Absatz der Spierincxschen Manufaktur dürfte
in den Jahren des Streites, der in Danzig heftige Erbitterung auslöste, kaum groß gewesen
sein.

1646 treten Nicolaus und Marten von den Hevel „gebrüdere von Amsterdam" auf den
Plan. Sie berufen sich auf ein Empfehlungsschreiben61) Wladislaus' IV., des Königs von
Polen, der mit ihren Arbeiten ungewöhnlich zufrieden sei und Ihnen ein Privileg zugesagt
habe. Der Rat lehnt unter dem 27. April 1646 das Ersuchen der Gebrüder von den Hevel
(Hevell, Hövel) ab: es gehe zu weit, „daß sie von allen oneribus auch der Stadt Jurisdiction
mögen eximieret sein", im freien Beruf — ohne Sondervorrechte — könnten sie dagegen in
Danzig jederzeit arbeiten.

Die späteste Nachricht datiert vom 30. März 1685. Abraham Dame und Johann Jacobes
— ob aus Aubusson oder Brüssel? — verpflichten sich zur Anlieferung (innerhalb von neun
Monaten) von vier Wandteppichen und zwei Kissenblättern zur Ausstattung der Gerichts-
laube im Artushof62). Die Folge soll an Güte mindestens gleichwertig sein „den von H.
Hans Gergens von Horn von Ihnen erkaufften Tapezereyen von der Erudition genannt".
Der Preis der Folge für den Artushof wird auf 3600 polnische Gulden (zu je 30 Groschen)
festgelegt; als selbstschuldnerischer Bürge unterschreibt der in Danzig ansässige Reynier
von Heemskerck (Hoemskerck)63).

Der Danziger Maler Andreas Stech64) (geb. 1635 in Stolp, gest. 1697 in Danzig) malt in
starker Übertreibung der Affekte die Kartons; es ist zweifelhaft, ob der vierte Teppich „Her-
kules" je zur Übertragung in Wolle und Seide gelangte: 1. Bias verkündet ein Todesurteil
und wischt sich mit dem Taschentuch (!) die Tränen aus den Augen, 2. die Einsetzung der
Richter, 3. Salomos Urteil.

Die Folge (3 Teppiche) ist noch 1768 vorhanden. Der Danziger Stecher Mathias Deisch
hält die Episoden (ohne die Bordüren) mit mehr gutem Willen als Können (1768 und 1769)
in drei Schabkunstblättern fest65), die keinerlei Rückschlüsse auf die Eigenart der ausfüh-
renden Wirkereimanufaktur mehr zulassen. Chodowiecki glossiert wenig freundlich: „er
(Deisch) hat nach den Teppichen, die jehrlich einmal im Junkerhof ausgehängt werden,
wieder zwei (drei) schlechte Schabkunstblätter gemacht"66). Johann Bernouilli bewundert
1777 die Folge67), die zu Beginn des 19. Jahrhunderts während der französischen Herr-
schaft mit anderen Kunstschätzen spurlos verschwindet.

Abgesehen von verschiedenen Kissenblättern ungewisser Herkunft aus Danziger Be-
sitz68) , ist der von der Kunsthandlung J. Rosenbaum (Frankfurt a. M.—Amsterdam) in Ost-

141
 
Annotationen