D a n z i g. Marienburg
preußen erworbene Behang der einzige große Wandteppich, der sich mit Sicherheit mit
einer Danziger Patrizierfamilie in Verbindung bringen läßt. In der Mitte der oberen Bor-
düre stehen die von einem schmalen Lorbeerkranz gerahmten Wappen des Danziger Bür-
germeisters Eggert von Kempen (Baum im Gatter) und seiner ersten Gattin Clara, Tochter
des reichen königlich polnischen Faktors Simon Bahr („herb" Rawicz, Jungfrau auf einem
Bären)69).
Die Jahreszahl 1620, die der Wandteppich trägt, hängt mit einem bedeutsamen Ereignis
in dem Leben der Familien von Kempen, Bahr und Speimann v. d. Speie zusammen. Si-
mon Bahr und seine Frau Judith versterben April 1605 im Zeitraum von acht Tagen und
werden in St. Marien beigesetzt. Sie hinterlassen als Erben u. a. die uns bereits bekannte
Tochter Clara (seit 1601 mit Eggert von Kempen vermählt) und eine Tochter Judith (ver-
heiratet mit Hans Speimann v. d. Speie, dem Erbauer (1609) des jedem Besucher Danzigs
bekannten „Steffenhauses", Langermarkt 41). Um das Epitaph für die Eltern entsteht
Streit70), der erst 1620 ein Ende findet. Kinder und Schwiegerkinder errichten Simon Bahr
und seiner Gattin das prunkvolle, noch heute in der St.-Marien-Kirche erhaltene Marmor-
grabmal71). Als Erinnerung an die für die Familie wichtige Begebenheit dürfte der Wand-
teppich, der wahrscheinlich des verstorbenen Faktors hervorragende diplomatische und
kaufmännische Fähigkeiten im Friedens-, Kriegs-, Vorrats- und Handelsrat der Nachwelt
vor Augen führen soll, entstanden sein.
Frau Clara verstirbt am 1. November 162272). Der Wandteppich verbleibt in dem Hause
des Bürgermeisters von Kempen in der Jopengasse 1973). Eggert von Kempen (1606 Schöffe,
1608 Ratsherr, 1618 bis 1636 [seinem Tode] Bürgermeister) geht am 10. Dezember 1623
eine zweite Ehe ein mit Dorothea, der Tochter des 1601 verstorbenen Kirchenvorstehers von
St. Marien, Gabriel Schumann.
Der Bürgermeister stirbt kinderlos, die Witwe vermacht den größten Teil des Vermögens
wohltätigen Stiftungen. Leider ist das Schöppenbuch von 1644, das die genauen Inventar-
angaben enthielt, verlorengegangen.
So sprunghaft die Geschicke der Danziger Bildwirkerei verlaufen, so eigenartig mischen
sich die Stilelemente in dem Wandteppich (Abb. 117, H. 1,40 m, L. 5,53 m) des Bürgermei-
sters Eggert von Kempen. Drei Hermen trennen vier Episoden, den Friedens-, Kriegs-, Vor-
rats- und Handelsrat. Eine aus verschiedenen Elementen zusammengestellte Bordüre faßt
das Bild. In den seitlichen Rahmen hält ein Löwenmaskaron die Embleme von Handel und
Schiffahrt. Der ausführende Wirker verwertet die Stichfolge eines im letzten Drittel des
16. Jahrhunderts in Paris tätigen Künstlers, des Jean Le Clerc; er ersetzt sinngemäß die
Schäfergeräte, die an dem Löwenkopf hängen (zu der Lebensgeschichte von Gombaut und
Macee passend), durch Anker, Geldbörsen usw.
Die obere Leiste — Blumen- und Fruchtgewinde mit Quasten, Bändern und Vögeln — er-
innert dagegen an die Delfter Wandteppichrahmungen der Aert Spierincx und der späteren
„Schlacht von Nieuport" aus der Manufaktur des Maximilian van der Gucht74). Die Her-
men mit den Insignien des Friedens (Palme), des Krieges (Schwert und Brandfackel), der
Klugheit (Spiegel und Schlange) und die Rollwerkfassung der Schriftbänder (untere Bor-
düre) klingen stark an die Architektur des 1605 von dem (aus Mecheln stammenden) Dan-
ziger Stadtbaumeister Anthony van Obbergen errichteten Zeughauses an.
Die Kriegergestalten in dem zweiten Bilde (Criges Rahtt) sind beeinflußt von den pseudo-
römischen Figuren der 1562 von dem Pariser Apotheker Nicolas Houel verfaßten Ge-
schichte der „reine Artemise" mit Zeichnungen verschiedener Maler und den zahlreichen,
mit gewissen Abänderungen hiernach gewirkten Behängen aus den Pariser Betrieben der
flämischen Meister Frans van den Planken und Marc de Comans75). Das thronende Paar
in der ersten Episode (Fridens Rahtt) erinnert an die Antwerpener Patronenmalerei des
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preußen erworbene Behang der einzige große Wandteppich, der sich mit Sicherheit mit
einer Danziger Patrizierfamilie in Verbindung bringen läßt. In der Mitte der oberen Bor-
düre stehen die von einem schmalen Lorbeerkranz gerahmten Wappen des Danziger Bür-
germeisters Eggert von Kempen (Baum im Gatter) und seiner ersten Gattin Clara, Tochter
des reichen königlich polnischen Faktors Simon Bahr („herb" Rawicz, Jungfrau auf einem
Bären)69).
Die Jahreszahl 1620, die der Wandteppich trägt, hängt mit einem bedeutsamen Ereignis
in dem Leben der Familien von Kempen, Bahr und Speimann v. d. Speie zusammen. Si-
mon Bahr und seine Frau Judith versterben April 1605 im Zeitraum von acht Tagen und
werden in St. Marien beigesetzt. Sie hinterlassen als Erben u. a. die uns bereits bekannte
Tochter Clara (seit 1601 mit Eggert von Kempen vermählt) und eine Tochter Judith (ver-
heiratet mit Hans Speimann v. d. Speie, dem Erbauer (1609) des jedem Besucher Danzigs
bekannten „Steffenhauses", Langermarkt 41). Um das Epitaph für die Eltern entsteht
Streit70), der erst 1620 ein Ende findet. Kinder und Schwiegerkinder errichten Simon Bahr
und seiner Gattin das prunkvolle, noch heute in der St.-Marien-Kirche erhaltene Marmor-
grabmal71). Als Erinnerung an die für die Familie wichtige Begebenheit dürfte der Wand-
teppich, der wahrscheinlich des verstorbenen Faktors hervorragende diplomatische und
kaufmännische Fähigkeiten im Friedens-, Kriegs-, Vorrats- und Handelsrat der Nachwelt
vor Augen führen soll, entstanden sein.
Frau Clara verstirbt am 1. November 162272). Der Wandteppich verbleibt in dem Hause
des Bürgermeisters von Kempen in der Jopengasse 1973). Eggert von Kempen (1606 Schöffe,
1608 Ratsherr, 1618 bis 1636 [seinem Tode] Bürgermeister) geht am 10. Dezember 1623
eine zweite Ehe ein mit Dorothea, der Tochter des 1601 verstorbenen Kirchenvorstehers von
St. Marien, Gabriel Schumann.
Der Bürgermeister stirbt kinderlos, die Witwe vermacht den größten Teil des Vermögens
wohltätigen Stiftungen. Leider ist das Schöppenbuch von 1644, das die genauen Inventar-
angaben enthielt, verlorengegangen.
So sprunghaft die Geschicke der Danziger Bildwirkerei verlaufen, so eigenartig mischen
sich die Stilelemente in dem Wandteppich (Abb. 117, H. 1,40 m, L. 5,53 m) des Bürgermei-
sters Eggert von Kempen. Drei Hermen trennen vier Episoden, den Friedens-, Kriegs-, Vor-
rats- und Handelsrat. Eine aus verschiedenen Elementen zusammengestellte Bordüre faßt
das Bild. In den seitlichen Rahmen hält ein Löwenmaskaron die Embleme von Handel und
Schiffahrt. Der ausführende Wirker verwertet die Stichfolge eines im letzten Drittel des
16. Jahrhunderts in Paris tätigen Künstlers, des Jean Le Clerc; er ersetzt sinngemäß die
Schäfergeräte, die an dem Löwenkopf hängen (zu der Lebensgeschichte von Gombaut und
Macee passend), durch Anker, Geldbörsen usw.
Die obere Leiste — Blumen- und Fruchtgewinde mit Quasten, Bändern und Vögeln — er-
innert dagegen an die Delfter Wandteppichrahmungen der Aert Spierincx und der späteren
„Schlacht von Nieuport" aus der Manufaktur des Maximilian van der Gucht74). Die Her-
men mit den Insignien des Friedens (Palme), des Krieges (Schwert und Brandfackel), der
Klugheit (Spiegel und Schlange) und die Rollwerkfassung der Schriftbänder (untere Bor-
düre) klingen stark an die Architektur des 1605 von dem (aus Mecheln stammenden) Dan-
ziger Stadtbaumeister Anthony van Obbergen errichteten Zeughauses an.
Die Kriegergestalten in dem zweiten Bilde (Criges Rahtt) sind beeinflußt von den pseudo-
römischen Figuren der 1562 von dem Pariser Apotheker Nicolas Houel verfaßten Ge-
schichte der „reine Artemise" mit Zeichnungen verschiedener Maler und den zahlreichen,
mit gewissen Abänderungen hiernach gewirkten Behängen aus den Pariser Betrieben der
flämischen Meister Frans van den Planken und Marc de Comans75). Das thronende Paar
in der ersten Episode (Fridens Rahtt) erinnert an die Antwerpener Patronenmalerei des
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