England. Die Sheldon-Werkstätten
sehen Betriebe zwei Momente typisch gewesen sein: zum ersten die Auswertung gleichzeiti-
ger niederländischer Wandteppiche, wahrscheinlich in Verbindung mit flämisch-holländi-
schen Stichvorlagen, zum zweiten das Bestreben, die Vorlagen in heimischen, d. h. eng-
lischem Sinne, zu erfassen und zu wandeln. Es zeigt sich hierbei eine ausgesprochene Vor-
liebe einmal für die auch dem weniger geschulten Wirker kaum Schwierigkeiten bereiten-
den Pflanzen- und Architekturmotive — Früchte, Blumen, Laubengänge, Vasen, Rollwerk
usw. —, zum anderen für allegorische Darstellungen und mythologische Figuren. Die Fol-
gerung führt logisch zu der spätesten (1611) Barcheston zu überweisenden Serie (Datierung
im „Winter"), den „vier Jahreszeiten" im Besitz des Marquess of Salisbury auf Hatfield
House34), mit den Allianzwappen Tracy of Toddington : Shirley of Wiston35) in der Mitte
der oberen Bordüre. Die betreffende Jahreszeit wird durch eine große allegorische Figur
verkörpert — Frühling: Venus und Kupido (Abb. 122), Sommer: Geres, Herbst: Bacchus,
Winter: Aeolus —, die die Mitte der Bilddarstellung einnimmt, den freien Raum füllen
kleine Episoden, mit Darstellungen der in dem Jahresabschnitt üblichen Arbeiten und
Freuden; die zugehörigen Tierkreiszeichen sind in den dem Himmel vorbehaltenen schma-
len Streifen verlegt. Als Vorlagen dienten, nach den Feststellungen Kendricks36) und Waces,
die Jahreszeitenstiche des Antwerpeners Martin de Vos (gest. um 1603)37). Was hat
der englische Kartonzeichner aus den behäbig niederländischen Motiven gemacht! Froh-
belebte, in dem bunten Zusammenklang üppiger Früchte, strahlender Blumen, primitiver
Menschengestalten und verzeichneter bäuerlicher Gehöfte, märchenhaft anmutende Bilder,
die ganz und gar dekorativ wirken! Eigenartig ist auch die Lösung der Bordüre: Allego-
risch-figürliche Rundmedaillons, in Schnüren gefaßt, von Schriftbändern (in lateinischer
Sprache) durchzogen, reihen sich in endloser Folge aneinander, die winzigen Zwickel fül-
len Trauben, Äpfel, Eichenlaub, Lilien usw.; architektonische Leisten — an der Innen-
kante ein Kleeblattstab, an der Außenseite ein Wolkenband mit Löwenmasken in den Ecken
— vermitteln den Übergang zum Bild und zur Wirkerkante. Der größte Teil (29) der Alle-
gorien ist der 1586 in Leyden gedruckten Choice of Emblemes von Geffrey Whitney, einige
wenige sind den Emblemata des A. Alciatus entnommen38). Zweifelsohne zeichnet Francis
Hyckes, der seine akademische Bildung nie verleugnet, verantwortlich für die Auswahl der
Quellen und Motive.
Die Abhängigkeit der Jahreszeitenfolge von gleichzeitigen Stickereien, namentlich von
Petit-point-Arbeiten, ist unverkennbar. Die Behänge wirken — vor allem in der primitiven
Technik — wie riesenhafte, unbeholfene Vergrößerungen kleiner Kissenblätter. Die Angli-
sierung der Manufaktur Barcheston hat ihren Höhepunkt erreicht. Von flämischem Blute
ist nichts mehr zu spüren. Früchte, Blumen, Menschen, Wasser und Wolken sind weit-
gehend stilisiert. Die in den Niederlanden in der gleichen Zeitepoche angestrebte Bildhaftig-
keit der Behänge findet in den Sheldonschen Betrieben keine Stätte, die Jahreszeiten sind
im glücklichen Sinne ganz und gar flächenhaft, ausgesprochen naiv dekorativ. Wie hat sich
die doch recht erhebliche Wandlung — bei aller Verwandtschaft — gegenüber den gewirk-
ten Landkarten vollzogen? Die Antwort dürfte in der Vereinigung der beiden Werkstätten
Barcheston und Bordesley zu finden sein, dergestalt, daß die primitiveren Wirker aus Wor-
cester die verlassenen Gezeuge von Barcheston (im Herrenhaus und in den Heimbetrieben
des Ortes) besetzten. Vielleicht bringt die urkundliche Forschung die endgültige Lösung.
Die englische Kunstliteratur — auch der recht kühl wägende A. J. B. Wace — gliedert
dem Werke von Barcheston vier Behänge aus Chastleton House an39), die mit der Datierung.
1595 auf dem ersten Stück, zeitlich festgelegt sind. Es handelt sich um ausgesprochene Mille-
fleursteppiche, die in der Mitte von Rollwerk gefaßte figürliche Medaillons tragen, die Epi-
soden aus der Geschichte Judas bringen: 1. Wandteppich. Medaillon: Juda wandert gen
Thimmath (1. Buch Mose, 38. Kapitel, Vers 12). Inschrift: GENESIS THE XXXVIII ■ 1595 •
21 Göbel, Wandteppiche III, 2.
161
sehen Betriebe zwei Momente typisch gewesen sein: zum ersten die Auswertung gleichzeiti-
ger niederländischer Wandteppiche, wahrscheinlich in Verbindung mit flämisch-holländi-
schen Stichvorlagen, zum zweiten das Bestreben, die Vorlagen in heimischen, d. h. eng-
lischem Sinne, zu erfassen und zu wandeln. Es zeigt sich hierbei eine ausgesprochene Vor-
liebe einmal für die auch dem weniger geschulten Wirker kaum Schwierigkeiten bereiten-
den Pflanzen- und Architekturmotive — Früchte, Blumen, Laubengänge, Vasen, Rollwerk
usw. —, zum anderen für allegorische Darstellungen und mythologische Figuren. Die Fol-
gerung führt logisch zu der spätesten (1611) Barcheston zu überweisenden Serie (Datierung
im „Winter"), den „vier Jahreszeiten" im Besitz des Marquess of Salisbury auf Hatfield
House34), mit den Allianzwappen Tracy of Toddington : Shirley of Wiston35) in der Mitte
der oberen Bordüre. Die betreffende Jahreszeit wird durch eine große allegorische Figur
verkörpert — Frühling: Venus und Kupido (Abb. 122), Sommer: Geres, Herbst: Bacchus,
Winter: Aeolus —, die die Mitte der Bilddarstellung einnimmt, den freien Raum füllen
kleine Episoden, mit Darstellungen der in dem Jahresabschnitt üblichen Arbeiten und
Freuden; die zugehörigen Tierkreiszeichen sind in den dem Himmel vorbehaltenen schma-
len Streifen verlegt. Als Vorlagen dienten, nach den Feststellungen Kendricks36) und Waces,
die Jahreszeitenstiche des Antwerpeners Martin de Vos (gest. um 1603)37). Was hat
der englische Kartonzeichner aus den behäbig niederländischen Motiven gemacht! Froh-
belebte, in dem bunten Zusammenklang üppiger Früchte, strahlender Blumen, primitiver
Menschengestalten und verzeichneter bäuerlicher Gehöfte, märchenhaft anmutende Bilder,
die ganz und gar dekorativ wirken! Eigenartig ist auch die Lösung der Bordüre: Allego-
risch-figürliche Rundmedaillons, in Schnüren gefaßt, von Schriftbändern (in lateinischer
Sprache) durchzogen, reihen sich in endloser Folge aneinander, die winzigen Zwickel fül-
len Trauben, Äpfel, Eichenlaub, Lilien usw.; architektonische Leisten — an der Innen-
kante ein Kleeblattstab, an der Außenseite ein Wolkenband mit Löwenmasken in den Ecken
— vermitteln den Übergang zum Bild und zur Wirkerkante. Der größte Teil (29) der Alle-
gorien ist der 1586 in Leyden gedruckten Choice of Emblemes von Geffrey Whitney, einige
wenige sind den Emblemata des A. Alciatus entnommen38). Zweifelsohne zeichnet Francis
Hyckes, der seine akademische Bildung nie verleugnet, verantwortlich für die Auswahl der
Quellen und Motive.
Die Abhängigkeit der Jahreszeitenfolge von gleichzeitigen Stickereien, namentlich von
Petit-point-Arbeiten, ist unverkennbar. Die Behänge wirken — vor allem in der primitiven
Technik — wie riesenhafte, unbeholfene Vergrößerungen kleiner Kissenblätter. Die Angli-
sierung der Manufaktur Barcheston hat ihren Höhepunkt erreicht. Von flämischem Blute
ist nichts mehr zu spüren. Früchte, Blumen, Menschen, Wasser und Wolken sind weit-
gehend stilisiert. Die in den Niederlanden in der gleichen Zeitepoche angestrebte Bildhaftig-
keit der Behänge findet in den Sheldonschen Betrieben keine Stätte, die Jahreszeiten sind
im glücklichen Sinne ganz und gar flächenhaft, ausgesprochen naiv dekorativ. Wie hat sich
die doch recht erhebliche Wandlung — bei aller Verwandtschaft — gegenüber den gewirk-
ten Landkarten vollzogen? Die Antwort dürfte in der Vereinigung der beiden Werkstätten
Barcheston und Bordesley zu finden sein, dergestalt, daß die primitiveren Wirker aus Wor-
cester die verlassenen Gezeuge von Barcheston (im Herrenhaus und in den Heimbetrieben
des Ortes) besetzten. Vielleicht bringt die urkundliche Forschung die endgültige Lösung.
Die englische Kunstliteratur — auch der recht kühl wägende A. J. B. Wace — gliedert
dem Werke von Barcheston vier Behänge aus Chastleton House an39), die mit der Datierung.
1595 auf dem ersten Stück, zeitlich festgelegt sind. Es handelt sich um ausgesprochene Mille-
fleursteppiche, die in der Mitte von Rollwerk gefaßte figürliche Medaillons tragen, die Epi-
soden aus der Geschichte Judas bringen: 1. Wandteppich. Medaillon: Juda wandert gen
Thimmath (1. Buch Mose, 38. Kapitel, Vers 12). Inschrift: GENESIS THE XXXVIII ■ 1595 •
21 Göbel, Wandteppiche III, 2.
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