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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 1) — Leipzig: Verlag von A. H. Payne, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.62315#0395
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Giorgione.

Von ſeiner imponirenden Perſönlichkeit, „von ſeiner Großmüthigkeit“ erhielt Giorgio Bar-
barelli den Beinamen Giorgione, denn das iſt die Bedeutung dieſer Endung nach italieniſchem
Sprachgebrauch. Nach den Worten Vaſari's, des Künſtlerbiographen aus dem 16. Jahrhundert,
nannte man ihn ſo „ſeiner körperlichen Geſtalt wie ſeines großen Geiſtes wegen; obwohl von nie-
driger Abkunft zeigt er ſich doch immerdar liebenswerth und von edlen Sitten.“ Er war 1417 zu
Caſtelfranco im Gebiet von Treviſo geboren, machte die Schule des Giovanni Bellini zu Venedig
durch, malte dann auf Beſtellung eines Feldhauptmanns Coſtanzi eine Madonna mit dem heiligen
Liberale und Franciscus für die Hauptkirche ſeiner Vaterſtadt und 4* bald nach Venedig, wo er
ſich niederließ, zurück.
Vaſari erzählt, daß Giorgione immer Gefallen an Liebesabenteuern fand, ein Meiſter im

Lautenſpiel war und ſo wunderbar ſang, daß er von vornehmen Leuten oft zu Muſikfeſten geladen
wurde. Bei aller Arbeit und aller Ruhmſucht, die ihn zum Schaffen trieb, war ſeine Exiſtenz
voll Lebensluſt und geſelliger Freuden, dazu kam die heiße und unerſättliche Liebe zu einer ſchönen
Frau, in deren Armen ihn die Peſt ergriffen haben ſoll, welcher er, noch in jugendlichem Mannes-
alter, 1511 zu Venedig erlag. — Das iſt ganz das Bild vom Daſein eines Renaiſſance-Menſchen.
Eine äußerlich wie innerlich reich entwickelte Perſönlichkeit, ein rückhaltlos ſich Hingeben an das
Leben und an ſeine Freuden, und nun auch in der Kunſt eine Fähigkeit das Leben voll und mächtig
zu ergreifen; dann aber ein ſchnelles Ende mitten in der Gluth des Schaffens, in der Luſt des
Daſeins.

„Nicht mir ein hohes Alter,

Nicht mir im Abendroth

Des Lebens letzten Pſalter,

Nicht mir den Greiſentod!

Die Krone meiner Freuden

War irdiſch ja, ich trank

Vom goldnen Naß der Heiden,
Und trotzte bis ich ſank“

Nur im letzten dieſer Verſe Hermann Lingg's iſt ein Ausdruck, der für Giorgione zu ſtark lauten
möchte. Nicht von Trotz, wenn auch oft von Gährung, kann bei ihm die Rede fein. -
Wir ſind heutzutage übel daran, wenn wir uns einen Begriff von jenen Schöpfungen machen
wollen, die einſt ſo hinreißend auf die Zeitgenoſſen wirkten. Wenig davon iſt bis auf uns ge-
tommen. Anfänglich machte er viel Handwerksmäßiges für den Laden, was meiſt verſchollen iſt.
Auch ſeine phantaſtiſchen Frescomalereien an Privathäuſern, wie am Reubau des Kaufhauſes der
Deutſchen an der Rialto-Brücke, der nach dem Brande von 1504 begonnen ward, ſind ſchon in

Deut ſchlands Kunſtſchätze 17
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