Lionardo da Vinci. 5
jersten Periode Lionardo's bis 1482, wo er als vollendeter Meister auftritt, kein einziges sicher
beglaubigtes Werk. Kaum jedoch scheiut es daran zu zweifeln erlaubt, daß in dieser Zeit ein
Fresco im Kloster S. Onofrio bei Rom, Maria mit dem Kinde und dem verehrenden Donator
dabei, entstanden. Gehört dies Bild mit seiner schlichten Naturwahrheit und der noch im Geist
der Werkstatt Veroechio's gehaltenen Modellirung jedoch so früher Zeit au, so beweist es zugleich,
daß Lionardo bereits in jüngeren Jahren Rom besucht hat. Da dies gerade die Zeit ist, iu
!welcher die ihm bekauuten und von ihm zum Theil hochgeschätzten florentiner Meister, Sandro
Botticelli, Cosimo Rosselli, Domenico Ghirlandajo, Luca Signorelli und Pietro Perugino, in der
Sixtinischen Kapelle arbeiteten, so ist es allerdings keine sehr gewagte Annahme, zu vermuthen,
daß ein so strebsamer und eifriger junger Künstler wie Lionardo den Weg nach Nom nicht zu weit
gefunden hat, um mit der Beobachtuug der befreundeten und verehrten Meister bei ihrer Arbeit
den lehrreichen Genuß der Auschauuug der ewigeu Stadt und ihrer Denkmäler zu, vereinigen.
Es muß hier von zwei Bildern Notiz genommen werden, um zu betouen, daß sie nicht
Jugendarbeiten Lionardo's sind, wofür sie an Ort und Stelle ausgegeben werden. Es muß das um
so mehr geschehen, als die Gemälde deutschen Galerien angehören, und iu Deutschland leider keine
Gelegenheit ist, das Urtheil über sie und ihren vorgeblichen Meister durch Vergleichuug aufzu-
klären; deuu es giebt in deutschen Landen kein einziges ächtes Bild des edlen Florentiners. Aus
seiner Jugendzeit, um 1470 etwa, beansprucht ein Gemälde der Dresdener Galerie herzustammen,
das 1860 als Lorenzo di Credi aus der Sammluug des Kunsthändlers Woodburue in London
gekauft wordeu ist. Es stellt in einem Zimmer Maria mit dem Kinde auf dem Schooße dar, das
uach einer dargebotenen Weinbeere greift; links der kleine Johannes anbetend. Nichts davon weist
auf Lionardo hin; und die Autorität, durch welche, wie die Gründe, aus welchen die Umtaufe an-
empsohlen ist, könueu derselben kaum zur Empfehlung dienen. Wenn das Bild mit einer nach
Lionardo benannten Handzeichnung der Dresdener Sammlung auffallend übereinstimmt, so ist einfach
diese Benennung ebenso falsch wie die des Bildes. Seine ursprüngliche Bezeichnung war wohl
richtig. — Noch schlimmer aber steht es mit einem größern Bilde ähnlichen Gegenstandes, Maria
kniend hält das auf eiuem rothen Kissen stehende nackte Kind mit beiden Armen umschlossen, im
Berliner Museum. Dasselbe hat nicht einmal die technische Meisterschaft und Sorgfalt zu seinen
Gunsten anzuführen, welche das dresdener auszeichnen, und es übertrifft dieses bei Weitem iu
Unschöuheit uud Härte der Formengebuug. Solche Dinge dürfen einem Meister ersten Ranges nie
ohne sichere Begründung anfgebürdet werden, am wenigsten aber mit der ebenso unbündigen wie
bequemen apagogischen Berlegenheitsargumentation, wer denn sonst zu einer bestimmten Zeit ein
solches Werk geschaffen haben sollte.
Einigermaßen klar werden Lionardo's Lebensschicksale erst vom Jahre 1482 an. Unter den
vielen Studien, die ihn beschäftigten, hatte er sich auch mit Bauten und Maschinen im Dienste der
Kriegskunst abgegeben. Der Ruf, deu seine erfolgreichen Arbeiten iu diesem Fache erworben
Hatten, lenkte die Augen eines Mannes auf ihu, der dergleichen besonders nöthig hatte, des schon
erwähnten Lodovico Sforza, der ihu 1482, oder spätestens 1483, an seinen Hof nach Mailand
berief. Das ist wenigstens viel glaubhafter, als die hübsche Anekdote, nach welcher der Herzog ihu
nur wegen seines berühmten Lauteuspieles und seines improvisatorischen Talentes au sich zu fesseln
gesucht haben soll. Weder hätte eine solche Aufforderung bei Nonardo's entwickeltem und berech-
Deutschlands Kunstschätze N.
jersten Periode Lionardo's bis 1482, wo er als vollendeter Meister auftritt, kein einziges sicher
beglaubigtes Werk. Kaum jedoch scheiut es daran zu zweifeln erlaubt, daß in dieser Zeit ein
Fresco im Kloster S. Onofrio bei Rom, Maria mit dem Kinde und dem verehrenden Donator
dabei, entstanden. Gehört dies Bild mit seiner schlichten Naturwahrheit und der noch im Geist
der Werkstatt Veroechio's gehaltenen Modellirung jedoch so früher Zeit au, so beweist es zugleich,
daß Lionardo bereits in jüngeren Jahren Rom besucht hat. Da dies gerade die Zeit ist, iu
!welcher die ihm bekauuten und von ihm zum Theil hochgeschätzten florentiner Meister, Sandro
Botticelli, Cosimo Rosselli, Domenico Ghirlandajo, Luca Signorelli und Pietro Perugino, in der
Sixtinischen Kapelle arbeiteten, so ist es allerdings keine sehr gewagte Annahme, zu vermuthen,
daß ein so strebsamer und eifriger junger Künstler wie Lionardo den Weg nach Nom nicht zu weit
gefunden hat, um mit der Beobachtuug der befreundeten und verehrten Meister bei ihrer Arbeit
den lehrreichen Genuß der Auschauuug der ewigeu Stadt und ihrer Denkmäler zu, vereinigen.
Es muß hier von zwei Bildern Notiz genommen werden, um zu betouen, daß sie nicht
Jugendarbeiten Lionardo's sind, wofür sie an Ort und Stelle ausgegeben werden. Es muß das um
so mehr geschehen, als die Gemälde deutschen Galerien angehören, und iu Deutschland leider keine
Gelegenheit ist, das Urtheil über sie und ihren vorgeblichen Meister durch Vergleichuug aufzu-
klären; deuu es giebt in deutschen Landen kein einziges ächtes Bild des edlen Florentiners. Aus
seiner Jugendzeit, um 1470 etwa, beansprucht ein Gemälde der Dresdener Galerie herzustammen,
das 1860 als Lorenzo di Credi aus der Sammluug des Kunsthändlers Woodburue in London
gekauft wordeu ist. Es stellt in einem Zimmer Maria mit dem Kinde auf dem Schooße dar, das
uach einer dargebotenen Weinbeere greift; links der kleine Johannes anbetend. Nichts davon weist
auf Lionardo hin; und die Autorität, durch welche, wie die Gründe, aus welchen die Umtaufe an-
empsohlen ist, könueu derselben kaum zur Empfehlung dienen. Wenn das Bild mit einer nach
Lionardo benannten Handzeichnung der Dresdener Sammlung auffallend übereinstimmt, so ist einfach
diese Benennung ebenso falsch wie die des Bildes. Seine ursprüngliche Bezeichnung war wohl
richtig. — Noch schlimmer aber steht es mit einem größern Bilde ähnlichen Gegenstandes, Maria
kniend hält das auf eiuem rothen Kissen stehende nackte Kind mit beiden Armen umschlossen, im
Berliner Museum. Dasselbe hat nicht einmal die technische Meisterschaft und Sorgfalt zu seinen
Gunsten anzuführen, welche das dresdener auszeichnen, und es übertrifft dieses bei Weitem iu
Unschöuheit uud Härte der Formengebuug. Solche Dinge dürfen einem Meister ersten Ranges nie
ohne sichere Begründung anfgebürdet werden, am wenigsten aber mit der ebenso unbündigen wie
bequemen apagogischen Berlegenheitsargumentation, wer denn sonst zu einer bestimmten Zeit ein
solches Werk geschaffen haben sollte.
Einigermaßen klar werden Lionardo's Lebensschicksale erst vom Jahre 1482 an. Unter den
vielen Studien, die ihn beschäftigten, hatte er sich auch mit Bauten und Maschinen im Dienste der
Kriegskunst abgegeben. Der Ruf, deu seine erfolgreichen Arbeiten iu diesem Fache erworben
Hatten, lenkte die Augen eines Mannes auf ihu, der dergleichen besonders nöthig hatte, des schon
erwähnten Lodovico Sforza, der ihu 1482, oder spätestens 1483, an seinen Hof nach Mailand
berief. Das ist wenigstens viel glaubhafter, als die hübsche Anekdote, nach welcher der Herzog ihu
nur wegen seines berühmten Lauteuspieles und seines improvisatorischen Talentes au sich zu fesseln
gesucht haben soll. Weder hätte eine solche Aufforderung bei Nonardo's entwickeltem und berech-
Deutschlands Kunstschätze N.