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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0241
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Fionar-o da Vinci. 13
Dominicaner waren vom Herzog Lodovico zwangsweise angehalten worden, ihr Kloster an dieser
Stelle zu errichten, und Hatten daher absichtlich schlecht gebaut. Die Wand, die das Bild trug,
lag tief in dem feuchten Grundstück und stieß an Küche und Speisekammer mit ihrer ungleichen
Temperatur und ihren schädlichen Dünsten. Im Jahre 1500 wurde das niedrig gelegene Kloster
von einer Ueberschwemmung heimgesucht, deren Wasser in das Refectorium eindrangen und das
schlechte Mauerwerk vollends verdarben. So war das Bild schon bis zur Hälfte des sechzehnten
Jahrhunderts ganz verblaßt und verschossen. — Nach weiteren hundert Jahren, 1652, fühlten sich
die Menschen veranlaßt, stückweise zu vernichten, was die Elemente noch übrig gelassen Hatten. Den
demüthigen Dienern der Kirche wurde die Thür ihres Speisesaals zu niedrig, sie brachen daher die
Mauer durch, aus der die Füße des Heilandes gemalt waren, bis in das Tischtuch hinein. Dicht
über seinem Haupte wurde nachher ein Wappenschild aufgehängt. 1726 aber erhielt ein Schwindler,
der im Besitz eines geheimnißvollen regenerirendeu Firnisses zu sein vorgab, Bellotti mit Namen,
Erlaubniß, das Bild wieder herzustellen, und entledigte sich hinter einem Breterverschlage verborgen
seines Auftrages, indem er die ganze Fläche von oben bis unten übermalte. Den ersten Frevel
wieder gut zu machen, wurde 1770 ein gewisser Mazza berufen; derselbe häufte aber nur einen
neuen ärgeren auf den alten. Er behandelte das Bild mit scharfen eisernen Instrumenten und
sudelte dann, wie es ihm gegeben war, darüber Her. Ein neuer Prior des Klosters hatte gerade nur
noch Zeit, drei Apostelköpfe vor dem Walten dieses unseligen Pinsels zu bewahren.
Im Jahre 1796 kam Napoleon nach Mailand und gab strenge Ordre zur Schonung des Refec-
toriums; später kommende Generale kehrten sich nicht daran: Lionardo's Abendmahl schmückte den
Speisesaal französischer Pferde, die wieder einmal ihre Herren an der Spitze der Civilisation über die
gesegneten Fluren Oberitaliens führten. Wie wohlthätig dem schon schadhaften Gemälde die Stall-
ausdünstung gewesen sein mag, kann man sich ohne große Phantasie vorstellen. Aus dem Stall wurde
ein Heumagazin, und endlich nach vorübergehender gänzlicher Vermauerung seit 1807 wieder ein
Wallfahrtsort pietätvoller Kunstfreunde, denen der zu spät angestellte Custode die traurige Ruine
eines Menschenwerkes zeigen kann, wie aller tausend Jahre kaum eines hervorgebracht wird.
Als der Vicekönig von Italien Eugen (Beauharnais) zur Wiederherstellung des Raumes
und zum Schutze des Denkmals einschritt, beauftragte er auch den Director der Mailänder Aka-
demie, Giuseppe Bossi, der von Jugend auf eifrig nach Lionardo studirt hatte und ein vorzüg-
licher Kenner seiner Kunst war, mit den Vorarbeiten zur Herstellung einer Copie in der Größe des
Originals, welche, um der Zeiten Sturm desto sicherer zu überdauern, in Mosaik ausgeführt werden
sollte. Als Studienmaterial für die Herstellung seines Cartons benutzte Bossi mit größter Ge-
wissenhaftigkeit neben dem verunstalteten Original mehrere ältere Copien, von denen eine noch bei
Lebzeiten Lionardo's von seinem Schüler Marco d'Uggione, eine andere Angesichts der unauf-
haltsam hereinbrechenden Vernichtung des Originals 1612 aus Veranlassung des kunstsinnigen
Cardinals Federico Borromeo von dem Mailänder Andrea Bianchi, genannt Vespino,
angesertigt worden. Das Resultat von Bossi's Bemühungen liegt vor in dem riesigen, 1816
vollendeten Mosaik Raffaeli's, welches eine Hauptwand in der Minoritenkirche zu Wien schmückt.
Von unschätzbarem Werthe und höchstem Interesse sind natürlich die Entwürfe und Studien
Lionardo's selber zu dem Bilde. Allem voran steht hier der Christuskopf in der Brera zu Mai-
land; ihm zunächst wohl die Apostelköpfe im großherzoglichen Besitz zu Weimar.

Deutschlands Kunstschätze, ll.

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