32 Correggio.
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Um 1530 kehrte Meister Antonio von Parma nach Correggio zurück, wahrscheinlich, nach
gleichzeitigen Andeutungen, nicht ohne Enttäuschung um der Aufnahme willen, welche die Kuppelbilder
im Dom bei dem philiströsen Publicum gefunden, und wohl auch durch den Tod der Gattin gebeugt,
der um diese Zeit erfolgt sein muß. In der Heimat waren es andere Arbeiten, an denen er sich
erholte, und bei welchen er keine Einwendungen von Seiten einer besserwissenden Geistlichkeit und
einer seines Stils ungewohnten Bevölkerung zu erfahren hatte. Vielleicht durch Vermittelung des
kleinen Hofes in Correggio, namentlich der humanistisch gebildeten Veronica Gambara, Wittwe
des Grafen Giberto X., die auch brieflich sich einmal bewundernd über unsern Maler ausgesprochen
hat, erhielt er Aufträge aus höfischen Kreisen, namentlich von dem kunstliebenden Herzog Federigo II.
von Mantua. Dadurch eröffnete sich ihm ein neues Stoffgebiet, das seiner Eigentümlichkeit
völlig gemäß war: die Sagenwelt des classischen Alterthums, namentlich in ihren idyllischen und
erotischen Phantasien, wie dies der antiken Bildung in der damaligen vornehmen Welt und deren
unbefangener Hingabe an heitern, sinnlich-frohen Lebensgenuß entsprach. Manche Gemälde dieses
Inhalts mögen früher entstanden sein, die meisten fallen in die späteste Epoche Correggio's. In
der Londoner Nationalgalerie befindet sich die „Erziehung des Amor", den Mercur lesen lehrt
während eine reizende und schalkhafte Venus, phantastisch mit Fittigen versehen, als Zuschauerin
dabeisteht. Im Kalou enrro des Louvre sehen wir die schlafende „Antiope", die Jupiter in
Faunsgestalt belauscht. An Vollendung der Behandlung wird dies Bild nur vou der „Danae",
die den Goldregen empfängt, in Palazzo Borghese in Rom übertroffen, obwohl hier, abweichend von
den übrigen Bildern dieser Art, der Ausdruck der Hauptfigur schon in das Unedle hineinspielt.
Aber die naive Lieblichkeit der pseilschärfenden Amorknaben entschädigt dafür. Das Wiener Bel-
vedere besitzt den „Ganymed", vom Adler geraubt, und „Jo", von Jupiter in Gestalt einer Wolke
umarmt. Hier ist das Helldunkel zu fast dämonischem Effect gesteigert, hier das Kühnste in der
Schilderung der Sinnenlust geleistet; die höchste Wonne des Genusses durchbebt den jugendschönen
Körper, der sich leuchtend von dem nebelhaften Dunkel abhebt. Eine Wiederholung — vielleicht
auch nur eine alte Copie — befindet sich im Berliner Museum, das außerdem in dem größern Bilde
der „Leda" die erfindungsreichste Composition dieser Gattung besitzt. Leda, den Schwan im Schooße,
ist ein Bild anmuthiger Hingabe, und wie in ihr der gegenwärtige Genuß, so tritt uus der ver-
gangene und der zukünftige — Erinnerung und Ahnung — in ihren badenden Gespielinnen entgegen,
von denen eine dem emporfliegenden Schwan sehnsüchtig nachblickt, die andere den nahenden scheu
von sich abwehren möchte und ihm doch kaum widersteht. Aus der andern Seite machen ein Eros-
Jüngling und ein paar muntre knabenhafte Amoretten Musik. Die Landschaft in üppiger Heiterkeit
mit vollem Baumwuchs und durchsichtigem Gewäsfer, das Leda's Fuß bespült, ist in der Stimmung
Eins mit den Gestalten.
Die beiden Gemälde in Berlin haben eigenthümliche Schicksale erfahren. Ludwig von Orleans,
der Sohn des Regenten, wollte beide Gemälde, die er mit der Sammlung seines Vaters geerbt,
vernichten, und es kam dazu, daß die Köpfe der Jo und der Leda ausgeschnitten und verbrannt
wurden. Die Bilder selbst konnten gerettet werden und kamen in die Sammlung Friedrich's des
Großen nach Sanssouci. Daß beschränkte Frömmelei an ihnen Anstoß nahm, ist nur deren eigener
Unlauterkeit der Gesinnung, nicht dem Charakter der Kunstwerke zuzuschreiben. Auch bei der Schil-
derung des Sinnlichen bleibt Correggio von allem Unreinen, Lüsternen und Ueberreizten frei, das bei
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Um 1530 kehrte Meister Antonio von Parma nach Correggio zurück, wahrscheinlich, nach
gleichzeitigen Andeutungen, nicht ohne Enttäuschung um der Aufnahme willen, welche die Kuppelbilder
im Dom bei dem philiströsen Publicum gefunden, und wohl auch durch den Tod der Gattin gebeugt,
der um diese Zeit erfolgt sein muß. In der Heimat waren es andere Arbeiten, an denen er sich
erholte, und bei welchen er keine Einwendungen von Seiten einer besserwissenden Geistlichkeit und
einer seines Stils ungewohnten Bevölkerung zu erfahren hatte. Vielleicht durch Vermittelung des
kleinen Hofes in Correggio, namentlich der humanistisch gebildeten Veronica Gambara, Wittwe
des Grafen Giberto X., die auch brieflich sich einmal bewundernd über unsern Maler ausgesprochen
hat, erhielt er Aufträge aus höfischen Kreisen, namentlich von dem kunstliebenden Herzog Federigo II.
von Mantua. Dadurch eröffnete sich ihm ein neues Stoffgebiet, das seiner Eigentümlichkeit
völlig gemäß war: die Sagenwelt des classischen Alterthums, namentlich in ihren idyllischen und
erotischen Phantasien, wie dies der antiken Bildung in der damaligen vornehmen Welt und deren
unbefangener Hingabe an heitern, sinnlich-frohen Lebensgenuß entsprach. Manche Gemälde dieses
Inhalts mögen früher entstanden sein, die meisten fallen in die späteste Epoche Correggio's. In
der Londoner Nationalgalerie befindet sich die „Erziehung des Amor", den Mercur lesen lehrt
während eine reizende und schalkhafte Venus, phantastisch mit Fittigen versehen, als Zuschauerin
dabeisteht. Im Kalou enrro des Louvre sehen wir die schlafende „Antiope", die Jupiter in
Faunsgestalt belauscht. An Vollendung der Behandlung wird dies Bild nur vou der „Danae",
die den Goldregen empfängt, in Palazzo Borghese in Rom übertroffen, obwohl hier, abweichend von
den übrigen Bildern dieser Art, der Ausdruck der Hauptfigur schon in das Unedle hineinspielt.
Aber die naive Lieblichkeit der pseilschärfenden Amorknaben entschädigt dafür. Das Wiener Bel-
vedere besitzt den „Ganymed", vom Adler geraubt, und „Jo", von Jupiter in Gestalt einer Wolke
umarmt. Hier ist das Helldunkel zu fast dämonischem Effect gesteigert, hier das Kühnste in der
Schilderung der Sinnenlust geleistet; die höchste Wonne des Genusses durchbebt den jugendschönen
Körper, der sich leuchtend von dem nebelhaften Dunkel abhebt. Eine Wiederholung — vielleicht
auch nur eine alte Copie — befindet sich im Berliner Museum, das außerdem in dem größern Bilde
der „Leda" die erfindungsreichste Composition dieser Gattung besitzt. Leda, den Schwan im Schooße,
ist ein Bild anmuthiger Hingabe, und wie in ihr der gegenwärtige Genuß, so tritt uus der ver-
gangene und der zukünftige — Erinnerung und Ahnung — in ihren badenden Gespielinnen entgegen,
von denen eine dem emporfliegenden Schwan sehnsüchtig nachblickt, die andere den nahenden scheu
von sich abwehren möchte und ihm doch kaum widersteht. Aus der andern Seite machen ein Eros-
Jüngling und ein paar muntre knabenhafte Amoretten Musik. Die Landschaft in üppiger Heiterkeit
mit vollem Baumwuchs und durchsichtigem Gewäsfer, das Leda's Fuß bespült, ist in der Stimmung
Eins mit den Gestalten.
Die beiden Gemälde in Berlin haben eigenthümliche Schicksale erfahren. Ludwig von Orleans,
der Sohn des Regenten, wollte beide Gemälde, die er mit der Sammlung seines Vaters geerbt,
vernichten, und es kam dazu, daß die Köpfe der Jo und der Leda ausgeschnitten und verbrannt
wurden. Die Bilder selbst konnten gerettet werden und kamen in die Sammlung Friedrich's des
Großen nach Sanssouci. Daß beschränkte Frömmelei an ihnen Anstoß nahm, ist nur deren eigener
Unlauterkeit der Gesinnung, nicht dem Charakter der Kunstwerke zuzuschreiben. Auch bei der Schil-
derung des Sinnlichen bleibt Correggio von allem Unreinen, Lüsternen und Ueberreizten frei, das bei