Künstler-Diographien. 31
überall zu schwellend, der Täufer Johannes gleicht einem jugendlichen Faun. Oft glauben wir bei
diesen zwei Gemälden zu sehen, daß die Heiligen der Madonna buhlerische Blicke zuwerfen, daß Ge-
fallsucht die Haltung der Engel, die Neigung ihrer Lockenköpfchen und ihr Lächeln bestimmt. Auch
diese Auffassung hat ihre geschichtliche Begründung. In ihr lebt die Sinnlichkeit, welche den mo-
dernen Katholicismus in seiner Ekstase und seiner Festlust durchdringt. Und so konnte sich später
die Kunst der katholischen Restauration vorzugsweise an Correggio lehnen.
Wenn das geistige Element vielleicht in solchen Bildern zurücktritt, in denen die Andacht sich
zu Frohlocken und Jubel steigert, so ist das dafür niemals in den Werken der Fall, bei welchen
statt der Lust der Schmerz den Ton angiebt. Auch dieser geht von der sinnlichen Empfindung aus,
aber er steigert sich zu tieferem geistigem Ausdruck. Wir verzichten darauf, als Beispiel dafür das
Christusantlitz auf dem Schweißtuch der heiligen Veronica im Berliner Museum zu nennen, denn
dies ist vielfach als Werk Correggio's bezweifelt worden. Vielleicht daß es die Arbeit eines spä-
ter» Nachfolgers ist, obgleich uns diese Frage noch keineswegs entschieden scheint. Auch die Origi-
nalität des „Eccehomo" in der Nationalgalerie zu London ist angezweiselt worden, doch wohl ohne
jeden Grund. Allerdings hat seine Erhaltung gelitten, die Behandlung aber ist wunderbar schön.
Es ist zunächst körperlicher Schmerz, der durch alle Fibern des dornengekrönten Heilands vibrirt,
in dem Zucken seines Mundes, in seinen schwimmenden Augen lebt, es ist ein krampfhaftes Erstarren
des Körpers, ein Hinsinken in Bewußtlosigkeit, das wir bei Maria sehen. Aber es ist zugleich eine
tief innerliche Auffassung des Leidens, das durch die edelste Schönheit geläutert scheint.
Vielleicht das Kleinod unter Allem, was Correggio gemalt, ist „Christus am Oelberg" in
Apsleh House, dem Palast des Herzogs von Wellington, zu London, ein Nachtstück, auf welchem das
eiusallende himmlische Licht die Hauptfigur, mit ihrem Ausdruck der innerlichen Erhebung über un-
nennbares Wehe, verklärt. Wegen vollendeter Ausführung in kleinem Maßstab läßt sich diesem Bilde
nur noch die „Heilige Magdalena" in der Dresdener Galerie an die Seite stellen. Aber hier, wo
man von dem seinen Schilderer des Empfindungslebens eine ergreifende Darstellung der Reue und
Zerknirschung erwarten sollte, nichts von alledem. Es ist ein schönes — ja sinnlich schönes Weib, das
mit aufgelöstem Haar, mit entblößtem Busen im Waldesgrund liegt und ihre Blicke in ein Buch
versenkt. Eine Stimmung holden Friedens in der Einsamkeit der Natur beherrscht das Ganze,
und ein Zug des Träumerischen spielt hinein.
Die Galerie zu Parma enthält endlich in zwei ehemaligen Altartafeln für San Giovanni
Darstellungen deA Schmerzes, welche bereits über das Maß hinausgehen, es sind die „Be-
weinung des vom Kreuze abgenommenen Heilands" und das „Martyrium der Heiligen
Placidus und Flavia". Hier wird das Gräßliche des Vorgangs, die Niedermetzelung Wehrloser
durch die furchtbare Brutalität der Mörder, durch die zerstückelten Körper, die in der Nähe liegen
erhöht, und dazu kommt in den beiden Opfern, die eben den Todesstreich empfangen, ein Ausdruck
der Ekstase, der süßlich bis zum Widerlichen ist, während der Schmerz sogar die Fingerspitzen durch-
bebt. Nicht nur in Bildern glanzvoller kirchlicher Festlichkeit, sondern auch in solchen Marterbildern
that Correggio den ersten Schritt auf der Bahn, die hernach die Kunst der katholischen Restauration
verfolgte. Auch dies Werk des Meisters, welches die Empfindung so verletzt, daß man für immer
den Blick von ihm abwenden möchte, zieht durch die Meisterschaft der Modelliruug und den ein-
schmeichelnden Zauber des Colorits immer wieder das Auge an.
8*
überall zu schwellend, der Täufer Johannes gleicht einem jugendlichen Faun. Oft glauben wir bei
diesen zwei Gemälden zu sehen, daß die Heiligen der Madonna buhlerische Blicke zuwerfen, daß Ge-
fallsucht die Haltung der Engel, die Neigung ihrer Lockenköpfchen und ihr Lächeln bestimmt. Auch
diese Auffassung hat ihre geschichtliche Begründung. In ihr lebt die Sinnlichkeit, welche den mo-
dernen Katholicismus in seiner Ekstase und seiner Festlust durchdringt. Und so konnte sich später
die Kunst der katholischen Restauration vorzugsweise an Correggio lehnen.
Wenn das geistige Element vielleicht in solchen Bildern zurücktritt, in denen die Andacht sich
zu Frohlocken und Jubel steigert, so ist das dafür niemals in den Werken der Fall, bei welchen
statt der Lust der Schmerz den Ton angiebt. Auch dieser geht von der sinnlichen Empfindung aus,
aber er steigert sich zu tieferem geistigem Ausdruck. Wir verzichten darauf, als Beispiel dafür das
Christusantlitz auf dem Schweißtuch der heiligen Veronica im Berliner Museum zu nennen, denn
dies ist vielfach als Werk Correggio's bezweifelt worden. Vielleicht daß es die Arbeit eines spä-
ter» Nachfolgers ist, obgleich uns diese Frage noch keineswegs entschieden scheint. Auch die Origi-
nalität des „Eccehomo" in der Nationalgalerie zu London ist angezweiselt worden, doch wohl ohne
jeden Grund. Allerdings hat seine Erhaltung gelitten, die Behandlung aber ist wunderbar schön.
Es ist zunächst körperlicher Schmerz, der durch alle Fibern des dornengekrönten Heilands vibrirt,
in dem Zucken seines Mundes, in seinen schwimmenden Augen lebt, es ist ein krampfhaftes Erstarren
des Körpers, ein Hinsinken in Bewußtlosigkeit, das wir bei Maria sehen. Aber es ist zugleich eine
tief innerliche Auffassung des Leidens, das durch die edelste Schönheit geläutert scheint.
Vielleicht das Kleinod unter Allem, was Correggio gemalt, ist „Christus am Oelberg" in
Apsleh House, dem Palast des Herzogs von Wellington, zu London, ein Nachtstück, auf welchem das
eiusallende himmlische Licht die Hauptfigur, mit ihrem Ausdruck der innerlichen Erhebung über un-
nennbares Wehe, verklärt. Wegen vollendeter Ausführung in kleinem Maßstab läßt sich diesem Bilde
nur noch die „Heilige Magdalena" in der Dresdener Galerie an die Seite stellen. Aber hier, wo
man von dem seinen Schilderer des Empfindungslebens eine ergreifende Darstellung der Reue und
Zerknirschung erwarten sollte, nichts von alledem. Es ist ein schönes — ja sinnlich schönes Weib, das
mit aufgelöstem Haar, mit entblößtem Busen im Waldesgrund liegt und ihre Blicke in ein Buch
versenkt. Eine Stimmung holden Friedens in der Einsamkeit der Natur beherrscht das Ganze,
und ein Zug des Träumerischen spielt hinein.
Die Galerie zu Parma enthält endlich in zwei ehemaligen Altartafeln für San Giovanni
Darstellungen deA Schmerzes, welche bereits über das Maß hinausgehen, es sind die „Be-
weinung des vom Kreuze abgenommenen Heilands" und das „Martyrium der Heiligen
Placidus und Flavia". Hier wird das Gräßliche des Vorgangs, die Niedermetzelung Wehrloser
durch die furchtbare Brutalität der Mörder, durch die zerstückelten Körper, die in der Nähe liegen
erhöht, und dazu kommt in den beiden Opfern, die eben den Todesstreich empfangen, ein Ausdruck
der Ekstase, der süßlich bis zum Widerlichen ist, während der Schmerz sogar die Fingerspitzen durch-
bebt. Nicht nur in Bildern glanzvoller kirchlicher Festlichkeit, sondern auch in solchen Marterbildern
that Correggio den ersten Schritt auf der Bahn, die hernach die Kunst der katholischen Restauration
verfolgte. Auch dies Werk des Meisters, welches die Empfindung so verletzt, daß man für immer
den Blick von ihm abwenden möchte, zieht durch die Meisterschaft der Modelliruug und den ein-
schmeichelnden Zauber des Colorits immer wieder das Auge an.
8*