Hicolas Poussin.
Die bildende Kunst der Franzosen darf sich erst sehr spät eines wahrhaft nationalen Impul-
ses rühmen, zwange und immer wieder befruchtete sich der französische Kunstgeist unter den verschie-
densten Anstößen durch das Zurückgreifen auf ältere, namentlich aus Italien entnommene Vor-
bilder. Die Könige Ludwig XII. und Franz I. zogen italiänifche Künstler an ihren Hof, und es
gelang, durch den Einfluß des Rosso (den die Franzosen Maitre Roux nennen) und des Prima-
ticcio die „Schule von Fontainebleau" in's Leben zu rufen, von der alles französische Kunstleben
und -Schaffen ausging, bis am Schluß eines Jahrhunderts der Schwung erlahmte, und neue An-
regungen gesucht werden mußten.
Es war die Zeit, in der Italien künstlerisch in zwei Heerlager getheilt war: den Eklektikern,
der Schule der Caracci standen die Naturalisten, die Nachfolger des Michelangelo Amerighi
(da Caravaggio) gegenüber. Die meisten und besten Talente unter den französischen Künstlern, die
sich zu ihrer Ausbildung direct oder indirect an Italien wandten, hing den ersteren an, wie sich
das aus dem Nationalcharakter der Franzosen ganz wohl begreifen läßt.
Die Franzosen haben einen sehr ausgeprägten gesetzlichen Sinn, so daß sie — von aufgeregten
Ausnahmezuständen abgesehen, in denen sie alle Schranken über den Haufen werfen, — die Regel
suchen und ihr folgen. Kunstregel und planvolle Unterweisung war aber eher bei den Caraccisten
als bei den unruhigen und ungebärdigen Naturalisten zu finden.
Die Franzosen haben ferner ein sehr entwickeltes Nachahmungstalent, so daß ihnen die
Theorie der Eklektiker, nach der es gelte, den großen Meistern der vergangenen Epoche je ihre be-
sonderen Vorzüge abzulernen und diese in der eigenen Production vereinigt zur Erscheinung zu
bringen, sehr sympathisch und verlockend klingen mußte.
Die Franzosen haben aber auch eine große Vorliebe für Pomp und theatralisches Wesen,
und dem entsprach die stilvolle Correctheit und feierliche Würoe der Eklektiker besser als die los-
gebundene und oft derbe Natürlichkeit der Schule Caravaggio's. Man darf es nicht vergessen: in
Frankreich drängte bereits Alles zu der steifen, gravitätischen Etiquette Ludwig's XIV. hin.
Zum Ueberfiuß mag man sich auch erinnern, daß Niccolo dell' Abbate, der Nachfolger
Primaticcio's in Fontainebleau und somit eines der Vorbilder der ganzen französischen Kunst, das
Ideal der Caraccisten war, in dem sie die von ihnen angestrebte Vereinigung aller sonst vereinzelten
Vorzüge der großen Meister vollzogen fanden. So also erklärt es sich, daß selbst diejenigen Künst-
ler, die sich dem italiänischen Naturalismus zuneigten, und ihre Nachfolger allmählich zum Eklekticis-
mus zurückkehrten. Ihre Kunst artete dann bald zu demselben schablonenhaften Fabrikbetriebe
aus, der auch die Ueberproduction Italiens zu ihrem Nachtheil charakterisirt.
Innerhalb dieser Strömung, von ihr bewegt und ihr folgend, und doch in vielfacher Be-
ziehung ganz eigenthümlich sich entfaltend und vereinsamt seinen Weg machend, tritt nun der größte
Künstler Frankreichs in den früheren Jahrhunderten Nicolas Poussin Hervor. Wie sehr man
auch von der früher üblichen Ueberschätzung dieses Meisters zurückgekommen sein mag: sein be-
harrliches Streben, seine ioeale Richtung, und seine unbestechliche Selbständigkeit gegenüber den
traurigen Kunstznständen seines Vaterlandes wird stets die höchste Anerkennung und Bewun-
verung verdienen, und er ist — auch in der auf richtiges Maß zurückgeführten Autorität seines
19*
Die bildende Kunst der Franzosen darf sich erst sehr spät eines wahrhaft nationalen Impul-
ses rühmen, zwange und immer wieder befruchtete sich der französische Kunstgeist unter den verschie-
densten Anstößen durch das Zurückgreifen auf ältere, namentlich aus Italien entnommene Vor-
bilder. Die Könige Ludwig XII. und Franz I. zogen italiänifche Künstler an ihren Hof, und es
gelang, durch den Einfluß des Rosso (den die Franzosen Maitre Roux nennen) und des Prima-
ticcio die „Schule von Fontainebleau" in's Leben zu rufen, von der alles französische Kunstleben
und -Schaffen ausging, bis am Schluß eines Jahrhunderts der Schwung erlahmte, und neue An-
regungen gesucht werden mußten.
Es war die Zeit, in der Italien künstlerisch in zwei Heerlager getheilt war: den Eklektikern,
der Schule der Caracci standen die Naturalisten, die Nachfolger des Michelangelo Amerighi
(da Caravaggio) gegenüber. Die meisten und besten Talente unter den französischen Künstlern, die
sich zu ihrer Ausbildung direct oder indirect an Italien wandten, hing den ersteren an, wie sich
das aus dem Nationalcharakter der Franzosen ganz wohl begreifen läßt.
Die Franzosen haben einen sehr ausgeprägten gesetzlichen Sinn, so daß sie — von aufgeregten
Ausnahmezuständen abgesehen, in denen sie alle Schranken über den Haufen werfen, — die Regel
suchen und ihr folgen. Kunstregel und planvolle Unterweisung war aber eher bei den Caraccisten
als bei den unruhigen und ungebärdigen Naturalisten zu finden.
Die Franzosen haben ferner ein sehr entwickeltes Nachahmungstalent, so daß ihnen die
Theorie der Eklektiker, nach der es gelte, den großen Meistern der vergangenen Epoche je ihre be-
sonderen Vorzüge abzulernen und diese in der eigenen Production vereinigt zur Erscheinung zu
bringen, sehr sympathisch und verlockend klingen mußte.
Die Franzosen haben aber auch eine große Vorliebe für Pomp und theatralisches Wesen,
und dem entsprach die stilvolle Correctheit und feierliche Würoe der Eklektiker besser als die los-
gebundene und oft derbe Natürlichkeit der Schule Caravaggio's. Man darf es nicht vergessen: in
Frankreich drängte bereits Alles zu der steifen, gravitätischen Etiquette Ludwig's XIV. hin.
Zum Ueberfiuß mag man sich auch erinnern, daß Niccolo dell' Abbate, der Nachfolger
Primaticcio's in Fontainebleau und somit eines der Vorbilder der ganzen französischen Kunst, das
Ideal der Caraccisten war, in dem sie die von ihnen angestrebte Vereinigung aller sonst vereinzelten
Vorzüge der großen Meister vollzogen fanden. So also erklärt es sich, daß selbst diejenigen Künst-
ler, die sich dem italiänischen Naturalismus zuneigten, und ihre Nachfolger allmählich zum Eklekticis-
mus zurückkehrten. Ihre Kunst artete dann bald zu demselben schablonenhaften Fabrikbetriebe
aus, der auch die Ueberproduction Italiens zu ihrem Nachtheil charakterisirt.
Innerhalb dieser Strömung, von ihr bewegt und ihr folgend, und doch in vielfacher Be-
ziehung ganz eigenthümlich sich entfaltend und vereinsamt seinen Weg machend, tritt nun der größte
Künstler Frankreichs in den früheren Jahrhunderten Nicolas Poussin Hervor. Wie sehr man
auch von der früher üblichen Ueberschätzung dieses Meisters zurückgekommen sein mag: sein be-
harrliches Streben, seine ioeale Richtung, und seine unbestechliche Selbständigkeit gegenüber den
traurigen Kunstznständen seines Vaterlandes wird stets die höchste Anerkennung und Bewun-
verung verdienen, und er ist — auch in der auf richtiges Maß zurückgeführten Autorität seines
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